6984367-1986_20_18.jpg
Digital In Arbeit

Max Frisch — 75

Werbung
Werbung
Werbung

Die Formulierung ,J.ch bin, der ich bin“ wäre nicht so uralt-ehrwürdig und vermöchte uns nicht auch heute mit elementarischer Gewalt zu treffen, schleppte sich nicht die Frage nach dem eigenen Ich als Dauerkrise durch die Menschheitsgeschichte. Der Homo faber bei Max Frisch weiß nichts von seiner Vaterschaft und dessen konstituierender Macht über sein Ich. Der Homo ludens im Roman .JStiller“ verleugnet das zu sein, was er ist, bis ihn ein Gerichtsprozeß zum Geständnis seiner Identität bringen soll.

Und wenn sich Odysseus bei Homer als Niemand“ ausgibt, so bereichert Max Frisch dieses Ur-motiv in jedem seiner Werke um immer neue und aktuelle Auseinandersetzungen zwischen Namen und Wesen, Fiktion und Fakten, Spiegelung und Wirklichkeit, gesellschaftlich sanktionierter Abstraktion und persönlicher Bewußtseinserfahrung. Anders als der klassische Entwicklungsroman, welcher den Weg zum Selbst weisen will, rüttelt sein Werk das Ich auf, damit es sich in seinen Fehlsituationen nicht mehr akzeptiert: Also Vergangenheitsbewältigung als Voraussetzung dafür, sich selbst zu finden.

Max Frischs Werke sind Angebote zur Gewissenserforschung, ob es sich nun um den Antisemitismus handelt (Andorra“) oder um den Parasitismus an der sogenannten bürgerlichen Gesellschaft (,ßiedermann und die Brandstifter“), in der man die Zündler so ausgiebig mit Lunten versorgt und verwöhnt, daß nun ein Geschlecht von Pyromanen die Szene beherrscht. Solange politische Parteien weniger als Gesinnung sbünde denn als Machtblöcke zur wechselseitigen Versicherung agieren, sollte man Max Frisch nicht nur — wie es ja geschieht — lesen, sondern überdenken, denn er hält den „tödlichen Sicherheiten“ das echte Leben der Frage und in der Frage entgegen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung