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Medea

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Als Intendant Herbert Alsen Kiaus Maria Brandauer die Wahl freistellte, heuer in Forchtenstein zu spielen oder zu inszenieren (oder beides), war Brandauer immerhin so klug, nur eine der beiden Möglichkeiten, aber doch nicht weise genug, die richtige zu wählen. Nach seinem recht gelungenen Regieerstling in der Josefstadt („Wie es euch gefällt“), hat er sich nun mit „Grill-parzers diffiziler Ehe- und Emigran-teratragödie, mit ihrem ständig einander durchdringenden und miteinander kämpfenden Grundelementen Mythos und Psychologie entschieden zuviel vorgenommen.

Allerdings bleibt die Frage offen, ob es in erster Linie Brandauers Schuld war, daß das ganze Drama so flach, so verkleinert über die Rampe kam, daß fast alle Figuren so blaß, so unkonturiert blieben, oder ob die Bewältigung des Stoffes auch bei den Schauspielern nicht in den richtigen Händen lag. Erch Schellow (Kreon) füllte als einziger die Riesenbühne ganz — stimmlich und als Persönlichkeit. Susanne Aitschul (Kreusa) brachte alle notwendige Lieblichkeit und entwaffnende Naivität ins Spiel, Michael Janisch war ein prächtig bannfluchender Herold, Hortense Raky hingegen eine wehleidig jammernde Amme Gora, deren Diktion mitunter ans Lächerliche

streifte. Jason war Heinz Ehrenfreund, ideal in der Erscheinung, und in seiner Schwäche und Durchschnittlichkeit sehr glaubhaft — den kühnen Anführer der Argonauten und verwegenen Vliesräuber mochte man ihm weniger abnehmen.

Elisabeth Orth versuchte, die Medea zu spielen. Noch in der ersten Szene, vor allem in der Erscheinung (hervorragend kostümiert von Hill Reihs-Gromes) durchaus ein Versprechen, konnte sie dieses im Laufe des Abends immer weniger einlösen, war unterkühlt statt leidenschaftlich, intellektuell statt barbarisch, zynisch statt wild ein gebrochener Charakter, keine tragische Heroine.

Ihre Auseinandersetzung mit Jason vor Kreon und Kreusa verkümmerte zu einem kläglichen Ehezank „moderner“ Prägung, die Szene, da man ihr die Kinder nimmt und diese selbst sich von der Mutter abwenden — aufwühlend in ihrer Grausamkeit — blieb kalt, ohne echtes Gefühl. Am Ende schließlich, wenn die so lange Gequälte und Gedemütigte nach vollbrachter furchtbarer Rache an Kreusa und den Kindern an Jason die allergrausamste Vergeltung übt, da sie ihn lebend im Elend allein läßt und nun zur Figur von mythischer Größe aufwächst, da brachte die Orth nur — Text.

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