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Die beiden Welten

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Grillparzer machte als erster von den vielen Dramatikern, die den „Medea“-Stoft behandelten, ans diesem ein Seelendrama. Aus seinen persönlichen Tagebuchaufzeichnungen wissen wir, daß er kein gutes Gefühl nach der Vollendung des Werkes hatte. Er hielt es zum Teil für mißlungen, vor allem, weil er glaubte, am Riesenstoff, den seine Trilogie „Das goldene Vlies“, deren Abschluß und Krönung „Medea“ bildet, gescheitert zu sein. Das Drama „Medea“ selbst ist problemüberladen: Auf der einen Seite der Zusammenprall zweier Rassen, Kulturen und Lebensstile, auf der anderen Seite die gekränkte, gedemütigte, verlassene und verzweifelte Frau.

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Grillparzer machte als erster von den vielen Dramatikern, die den „Medea“-Stoft behandelten, ans diesem ein Seelendrama. Aus seinen persönlichen Tagebuchaufzeichnungen wissen wir, daß er kein gutes Gefühl nach der Vollendung des Werkes hatte. Er hielt es zum Teil für mißlungen, vor allem, weil er glaubte, am Riesenstoff, den seine Trilogie „Das goldene Vlies“, deren Abschluß und Krönung „Medea“ bildet, gescheitert zu sein. Das Drama „Medea“ selbst ist problemüberladen: Auf der einen Seite der Zusammenprall zweier Rassen, Kulturen und Lebensstile, auf der anderen Seite die gekränkte, gedemütigte, verlassene und verzweifelte Frau.

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Jeder Regisseur steht deshalb vor der Aufgabe, sich zu entscheiden, welches von den beiden Problemen er in den Vordergrund stellt Der Regisseur Adolf Rott versucht, beide Probleme auf einmal zu lösen. Das Weib-und Mutterproblem der Medea wird erst durch den Zusammenprall der beiden Welten, der griechischen und barbarischen, zur Tragödie. Diesem Regieversuch gebührt höchste Anerkennung. Allerdings scheitert Rott im Grunde daran, woran auch Grillparzer scheiterte. Beide wollten mehr geben, als zu geben sie imstande waren. Das Kammerspiel „Medea“, das Rott vom schauspielerischen her schuf, verliert sich im großen Drama „Medea“ als rassen-und kulturpolitische Auseinandersetzung. Untermauert wird diese geistige Schizophrenie noch durch die Bühnenbilder Wolfram Skaückis, die weder das Beklemmende des Seeiendranias noch den Gegensatz des lichten Hellas zur Düsterkeit von Kolchis, die Medea in und mit sich trägt sichtbar machen. Es sind Aller-weltsbühnenbilder, ebenso geeignet wie ungeeignet für alle Stücke, die einen antiken Stoff behandeln. Das Gleiche gilt für die Kostüme. Sie sind weder modern noch antik, aber desillusionierend nach allen Seiten hin.

Auch die schauspielerischen Leistungen sind nicht einheitlich, was die Voraussetzung für ein richtiges Kammerspiel wäre. Auf Grund des Regiekonzepts konnte der Darsteller des Kreon, Erich Auer, nur Mittelmaß sein. Da der Schauspieler Auer aber mehr als Mittelmaß ist, geriet ihm die Interpretation daneben. Sebastian Fischer als Jason zeigt nur eine Seite des Helden, nämlich die oberflächliche. Jason besitzt aber auch andere Eigenschaften. Er ist zwar ein Egoist, aber er ist auch ein Held. Für ihn wird Kreusa zum Verhängnis, weil ihm durch sie erst bewußt wird, in welch Unglück er sich durch die Verbindung mit Medea gestürzt hat. Heimo Gautier als Kreusa deckt sich mit dem Idealbild nicht. Sie ist zu kokett, verführt gewissermaßen Jason, stellt seine Handlungsweise in ein noch schlechteres Licht, als sie an sich schon steht Seine Sehnsucht, aus der Welt des düsteren Zaubers in eine Welt der Freiheit zu gelangen, wird durch das Benehmen der Kreusa abgewertet, und zwar auf einer Ebene, auf der Jason die liebenswertere Frau der düsteren Frau, durch die er sich in seiner Persönlichkeitsentfaltung gehemmt fühlt einfach vorzieht.

Martha Wallner spielt die Medea. Sie beherrscht alle stimmlichen und schauspielerischen Nuancen. Die gekränkte, vereinsamte Frau liegt ihr mehr als die Rolle des Racheengels. Ihre schauspielerische Qualität aber steht über jedem Zweifel. Das Gleiche gilt auch von Liselotte Schreiner als Amme Gora. Welche Persönlichkeit tritt uns hier noch entgegen! Eine einsame und unzeitgemäße Erscheinung im Zeitalter des Persön-chen-Kultes.

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