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Meister des Glases

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Die Gläser der Glashütte Riedel in Tirol fielen bereits auf, als ihre ersten Serien in Wiener Gesdiäften auftauchten. Eleganz imd Schönheit verband sich mit Zwecikmäßigkeit zu einer bestechenden Einheit, und noch mit der besonderen Überraschung, daß man ihre langstieligen Exemplare ohne weiteres umwerfen konnte, ohne daß sie zerbrachen. In Tirol war anscheinend ein Wunder passiert und man nahm es daher befriedigt zur Kenntnis, daß sie 1959 vom Coming Museum in New York als „schönste Gläser der Welt" ausgezeichnet wurden. Seither sind einige Jahre vergangen, und die Riedel-Gläser haben ihre Spitzenposition in der internationalen Glasindustrie nicht nur behaupten, sondern noch ausbauen können, wie zahlreiche Preise auf Weltausstellungen, Triennalen und Messen beweisen.

Nach einer ersten Ausstellung vor neun Jahren zeigt das Museum für angewandte Kunst nun einen Querschnitt der Produktion dieser hervorragenden Glashütte bis zum heutigen Tag. In Tirol wurde sie 1957 gegründet ihr Ursprung geht aber über Jahrhunderte zurück, imd die Geschichte ihrer Gründer liest sich wie ein Erfinder- und Handwerkerepos. Bs ist die Geschichte einer ganzen Glasmacberdynastie, der Familie Riedel, in der durch neun Generationen Bahnbrechendes in der Bearbeitung und Verarbeitung des Glases geschaffen wurde. Nachdem die erste Hütte bereits 1756 in Haida in Nord-böhmen entstand, folgten bald andere, die unter Josef Riedel (1816 bis 1894) zum Mittedipunkt der ganzen Gablonzer Industrie wurden. Er führte die Farben „Annagelb" und „Annagrün" ein und legte den Grundstein zum Aufstieg der Familie und des ganzen Gebietes. Sein Soim Josef entwickelte unter anderem den Selen-Ruibin, den Vater der „Katzenaugen" und Verkehrssignale, Glasziehmaschinen und die ersten Licht-sdialen:’:- Deissen > «öhn v.WalteF ent* wickelte S»i4e»glani»gJ#se;ri d«n:,yc»Įl-_ automatisch hergestellten Wickelring, die Kunstdarmprodiuktion und fand ein Verfahren zur Herstellung von verspirailbaren Glasfasern. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde er vcxn den Russen zwangsverpfiich-tet mit zwei Jahren Sibirien für geleistete Arbeit belohnt und enteignet 1955 übernahmen er imd sein Sohn Claus aus einer Konlcursmasse die Tiroler Glashütte, die 1957 die Produktion mit Manufaktur und Design begann. Ihre Erzeugnisse errangen bereits 1958 auf der Weltaus-

stellung in Brüssel den Grand Prix für zwei Service. Und seither sind Riedel-Gläser ein internationaler Begriff.

Im Museum für angewandte Kunst sind es vor allem die Entwürfe von Prof. Claus Riedel, die durch ihre originelle, immer wieder Neues verwirklichende Formgebung bestechen. Es sind absolute Meisterleistungen des Designs, in denen sich nicht nur Verständnis der Funktion, profunde Kenntnis des Materials und formales Feingefühl, sondern auch gesunder Hausverstand mit einer geradezu leidenschaftlichen Einfühlung in das Wesen des Glases verbinden. Selbst anfangs scheinbar kühne Lösungen erweisen sich als logische und durchdachte realistische Ergebnisse eines Denkens und Empfindens, bei dem Sinn und Zweck an erster Stelle stehen.

Daß sie djirüber hinaus auch noch ästhetisch meist vollkommen beglük-ken und manchmal absolute und einmalige Neuerungen darstellen, sichert ihnen bereits jetzt einen Plate in der Geschichte des Glases. Eine hervorragende Ausstellung mit ebenso hervorragenden Leistungen, die beweist wie in einem scheinbar eng gespannten Rahmen doch immer wieder schöpferische Leistungen möglich sind. Man dürfte sie nicht versäumen.

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