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Neid

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Acht Tage hörte ich nichts von Kurt Waldheim. Ich war in Berlin. Und dort, beim Theatertreffen, machte Claus Peymann ein bisserl Reklame für Wien und Politik. Der Burgtheaterdirektor legte sich zum Beispiel in einem Interview mit dem deutschen Bundespräsidenten an und meinte, es sei doch seltsam, daß dieser Richard von Weizsäcker nun plötzlich als linker, liberaler Mann gelte. Weizsäcker sei nach wie vor ein Konservativer: ,JDer Mann sagt ja nur das Normale“ , äußerte Peymann, der überzeugt ist, daß Richard von Weizsäcker als Berliner Bürgermeister einen Berliner Generalintendanten Claus Peymann für die dortigen Staatlichen Bühnen verhindert habe.

Da fiel mir doch auch in Berlin Kurt Waldheim ein. Vor allem als ich in dem Programmbuch zur 750-Jahrfei- er Berlins statt eines Vorwortes Auszüge aus der Rede „Uber die Aufgaben det Deutschen“ las, eine Rede“ die Weizsäcker vor drei Jahren zu seinem Amtsantritt als Bundespräsident gehalten hatte. Da wies er nicht nur darauf hin, daß Berlin nach dem Krieg zu einem Symbol der Freiheitsliebe geworden sei, sondern auch darauf, daß es im Krieg .Ausgangspunkt für den Weltkrieg und schließlich für den Holocaust“ gewesen sei: ,Jn Berlin hat sich im vollen Bewußtsein der furchtbaren Vergangenheit wieder eine jüdische Gemeinde zusammengefunden, um einen neuen Anfang mit uns zu machen: Nicht verdrängen, sich erinnern hilft weiter.“

In dieser jüdischen Gemeinde zu Berlin findet derzeit übrigens eine Ausstellung zu Ehren Max Reinhardts statt, in der unter anderem daran erinnert wird, daß Anfang der zwanziger Jahre Reinhardts Bemühungen um die Salzburger Festspiele und seine vielfältigen Versuche, am Burgtheater eine entscheidende Funktion einzunehmen, scheiterten: .JStärker als in Berlin betrieben in Österreich unter anderem antisemitische Kreise den Boykott Reinhardts“ , wird da in einem Text zu den zahlreichen Dokumenten erläutert.

Doch zurück zum deutschen Bundespräsidenten. Der war auch Offizier im Zweiten Weltkrieg und sein Vater, der Diplomat Emst Freiherr von Weizsäcker, wurde 1949 in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse, im sogenannten Wilhelmstraßenprozeß, als Kriegsverbrecher verurteilt. Richard von Weizsäcker ist in der Bundesrepublik Deutschland eine unbestrittene moralische Autorität.

Dabei sagt der Mann nur das Normale.

Der Neid könnt’ einen fressen.

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