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Neue Gutachten her1.

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Früher, als die Welt noch voller Anschauungen und die Politik deshalb noch mehr weltanschaulich war, da konnte man sich die schönsten Religionskriege mit geschickt ausgewählten Bibelsprüchen liefern.

Aber seit das Regieren so herrlich pragmatisch geworden ist, werden alle Entscheidungen durch Experten-Gutachten objektiviert. Unfein oder auf gut bayerisch ausgedrückt besagt das: Wenn eine Regierung schon Scheiß baut, ist wenigstens alles wissenschaftlich fundiert.

Das Pech ist nur, daß bei politisch umstrittenen Entscheidungen — und das sind nicht wenige — inzwischen alle Parteien, alle Interessengruppen und sogar alle bürokratischen Instanzen diese Methode erfaßt haben.

So wie man sich früher mit kraftvollen Prophetenworten gegenseitig niedergeschmettert hat — ,Jiaust Du meinen Ezechiel, so hau ich Deinen Habakuk" —, so haut man sich heute die Gutachten und Gegengutachten von wissenschaftlichen Fachleuten um die Ohren.

Da entscheiden beispielsweise drei von vier niederösterreichischen Bezirkshauptleuten aufgrund der ihnen vorliegenden Gutachten gegen den Bau des Kraftwerkes Hainburg. Doch der sozialistische Landesrat Bre-zovszky, der zufällig ein Befürworter dieses Kraftwerkes ist, weiß sofort, daß diese Gutachten nicht vor Gericht standhalten würden und fordert eigene an.

Er weiß natürlich auch wie jeder andere, wo er arbeiten lassen muß, damit ganz objektiv das herauskommt, was er sich- wünscht.. Und die Gutachter wissen auch, was er sich wünscht.

Jeder Wissenschaftler ist ^letztlich Partei, hat einen Ruf und vertritt ganz legal bestimmte Positionen und Interessen. Er wird bald auch irgendwie von der Seite abhängig, auf der er überwiegend steht. Denn nur von dieser Seite wird er akzeptiert und hat Aufträge für neue Gutachten zu erwarten.

Oder glaubt etwa jemand, daß der Ökologe Lötsch jemals von einer Kraftwerks-Gesellschaft als Gutachter berufen" werden könnte? Oder daß er noch jemals von den Natur Schützern akzeptiert und ins Geschäft gebracht werden würde, wenn er einmal für die andere Seite arbeitete so wie Otto Koenig?

Mit anderen Worten: Jede Interessenpartei hat ihre wissenschaftlichen Freunde und Feinde. Jede weiß zugleich, warum die Experten der anderen, wenn schon nicht unqualifiziert, so doch unglaubwürdig oder abhängig sind. So bleibt für den, der nach dem Pokerspiel mit den Gutachten als letzter politisch entscheiden muß, alles zum Schluß doch wieder eine Glaubensfrage.

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