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„Optik spielt eine gewisse Rolle“

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Im Jahre 1971 stieg der Verbraucherpreisindex um 4,7 Prozent; Finanzminister Dr. Androsch hat den Bundesvoranschlag für das Jahr 1972 auf der Basis einer Inflationsrate von 5 Prozent erstellt; der ÖGB-Präsident ist schon zufrieden, wenn in diesem Jahr die Inflationsrate nicht höher als bei 4,5 Prozent liegen wird. Kurz: die Regierung hat mit der Inflation ihren Frieden gemacht.

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Im Jahre 1971 stieg der Verbraucherpreisindex um 4,7 Prozent; Finanzminister Dr. Androsch hat den Bundesvoranschlag für das Jahr 1972 auf der Basis einer Inflationsrate von 5 Prozent erstellt; der ÖGB-Präsident ist schon zufrieden, wenn in diesem Jahr die Inflationsrate nicht höher als bei 4,5 Prozent liegen wird. Kurz: die Regierung hat mit der Inflation ihren Frieden gemacht.

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FURCHE: Vor einer Woche beschloß der Ministerrat die Einsetzung eines Ministerkomitees zur Überwachung der Preise. Was ist die konkrete Aufgabenstellung dieses Komitees und wie wird es arbeiten?

STARIBACHER: Die Aufgabe dieser interministeriellen Arbeitsgruppe wird die Beobachtung der Preisentwicklung sein. Ihre Arbeitsweise ergibt sich schon aus der Aufgabenstellung. Um ein Wort des Bundeskanzlers zu gebrauchen: diese Arbeitsgruppe soll die Preisentwicklung „transparent“ machen, die Öffentlichkeit mit der Problematik der Preisentwicklung vertraut machen. Die Arbeitsgruppe soll also für eine bessere Optik sorgen. Keineswegs aber soll das Ministerkomitee der Paritätischen Lohn- und Preiskommission Konkurrenz machen.

FURCHE: Was will diese Arbeitsgruppe konkret erreichen, da sie doch auf der Basis der bestehenden Gesetze arbeiten muß?

STARIBACHER: Dieses Komitee wird beispielsweise prüfen, wie weit sich die jüngste Senkung der Zölle und Ausgleichssteuern, die mit einem Einnahmenausfall des Finanzministers von rund 220 Millionen Schilling verbunden war, auf die Preise auswirken wird. Ferner wird zu beraten sein, was zu geschehen hat, um Preiserhöhungen im Zusmmen-hang mit der Einführung der Mehrwertsteuer zu verhindern.

Selbstverständlich kann die

Regierung nur auf der Basis der bestehenden Gesetze arbeiten. Aber das kann sie nicht daran hindern, sich mit allem zu beschäftigen; etwa eine Arbeitsgruppe zur Beobachtung der Preise einzurichten, die Empfehlungen ausspricht, Kritik an der Preispolitik einzelner den Markt beherrschender Unternehmer übt.

Im übrigen soll diese Arbeitsgruppe dazu beitragen, preispolitische Maßnahmen auf Regierungsebene besser zu koordinieren.

FURCHE: War denn das bislang nicht der Fall?

STARIBACHER: Natürlich wurde bislang auch koordiniert. Aber nun soll das noch besser, vor allem aber publikumswirksamer geschehen.

FURCHE: Ist nicht überhaupt die von Ihnen genannte Publikumswirksamkeit“ eines solchen Komitees der Hauptgrund für seine Errichtung?

STARIBACHER: Das würde ich nicht so sagen. Sicherlich spielt die Optik eine gewisse Rolle. Die Öffentlichkeit soll spüren, daß die Regierung die Preisentwicklung nicht unwidersprochen hinnimmt. Denn heute ist doch allen klar, daß etwas geschehen muß.

Was die Koordinierung auf Regierungsebene betrifft, so möchte ich doch auch betonen, daß nun auch die gemeinsame Verantwortung eben dieses Mini-sterkomitees für die Preisentwicklung bestimmt ist. Derzeit ist beispielsweise der Handelsminister allein für die Benzinpreiserhöhung verantwortlich.

FURCHE: Wie ist das zu verstehen: kollektive Verantwortung des Ministerkomitees für die Preisentwicklung oder das Abwälzen der Verantwortung von einem Minister auf ein Kollektiv?

STARIBACHER: Weder —noch. Die politische Verantwortung für die Preisentwicklung liegt bei der ganzen Regierung. Daran wird sich nichts ändern. Bei der neugegründeten Arbeitsgruppe liegt die Betonung auf der Institutionalisierung der Beobachtung und Registrierung der Preisentwicklung.

FURCHE: Wenn es dieses Ministerkomitee zur Überwachung der Preise schon im Dezember 1971 gegeben hätte, glauben Sie, daß es dann einen Grund gehabt hätte, die Tarifpolitik der Bundesregierung zu tadeln? Man erinnere sich nur an die Zigarettenpreiserhöhung und die Bahntarifverteuerung ...

STARIBACHER: Nein, diese Arbeitsgruppe hätte keinen Grund gehabt, die Tarif- und Preispolitik der Bundesregierung zu tadeln. Das wäre ja auch schizophren, im Ministerrat eine Tariferhöhung zu beschließen und dann im Ministerkomitee zur Überwachung der Preise die Tariferhöhungen zu kritisieren.

FURCHE: Wenn man die von der Bundesregierung gewünschte Publikumswirksamkeit des neugegründeten Ministerkomitees einmal außer acht läßt; ist es nicht überhaupt schizophren, die Entwicklung der Preise zu beobachten, dabei die Interdepen-denz der Preise nicht zu berücksichtigen, die Lohnpolitik Lohnpolitik sein zu lassen usw ...?

STARIBACHER: Die Zeit ist reif, daß etwas geschieht. Die Bundesregierung braucht die von ihr bereits initiierten Gesetze, um die Preise in den Griff zu bekommen. Ich habe schon 1970 versucht, im vorparlamentarischen Raum das Einvernehmen mit den Sozialpartnern und der Opposition über die Änderung der unge nügenden Preisregelungsgesetze herzustellen. Ich gebe zu, ich bin mit meiner Theorie, daß dies doch möglich sein muß, gescheitert. Im Spätherbst 1971 versuchte der Bundeskanzler, eine Änderung der Wirtschaftsgesetze durchzusetzen. Auch dieser Weg hat zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt, obwohl zuletzt sogar von ,Erpressung' gesprochen wurde. Nun haben wir eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Wirtschaftsgesetze eingesetzt. Ich hoffe, daß die von diesen beiden Arbeitsgruppen verfaßten Vorschläge dazu werden beitragen können, die Vorstellungen der Bundesregierung in die Tat umzusetzen.

FURCHE: Wenn man will, kann man auch vom „dritten“ Weg, die Wirtschaftsgesetze zu ändern, sprechen, womit dann das Ministerkomitee doch eine Aufgabenstellung hätte, die über die Beobachtung der Preise hinausgeht?

STARIBACHER: Das ist auch eines der Ziele der Arbeitsgruppe.

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