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Digital In Arbeit

Peterle

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Als ich Peterle kennenlernte, trug er Anzug und Krawatte. Er war ein aufstrebender Journalist. Sein Meister war ein sozial gesinnter Edelmann gewesen, Vorliebe für Fortschritt und Demokratie.

Unsere Wege trennten sich. Als ich Peterle nach Jahren wiedersah, hätte ich ihn um ein Haar nicht erkannt. Er war in Blue-Jeans gekleidet, trug eine Drahtbrille und einen langen Bart.

„Man muß die Hand auf dem Puls der Zeit halten”, sagte Peterle. „Dann weiß man jederzeit, wieviel es geschlagen hat.”

Er war gerade damit beschäftigt, ein fortschrittlich-demokratisches Blatt in eine progressiv-fanatische Postille umzuwandeln.

Mit der Zeit wurde sein Bart etwas länger. Die progressiv-fanatische Postille erschien immer noch, aber Peterle gründete bereits eine neue Zeitung.

„Man muß die Blätter gründen, solange es noch nicht zu spät ist”, sagte Peterle. „Wenn sich das Blatt wendet, muß man mit dem neuen Blatt parat sein.”

Das neue Blatt beschäftigte sich vor allem mit dem Liebesleben von Minderjährigen mit besonderer Berücksichtigung der fließenden Grenzen zwischen Trieb- und sonstiger Befreiung.

Wieder vergingen Jahre, in denen ich Peterle nicht wiedersah. Unlängst trafen wir uns auf der Straße. Er hatte seinen Bart abrasiert. Er trug eine Hornbrille, einen etwas altmodischen Regenmantel mit adrett festgeschnürtem Gürtel und einen nagelneuen Steirerhut.

„Man muß mit der Zeit gehen”, sagte Peterle. Er hat sich in ein neuartiges Farbenexperiment eingelassen, träumt von einem Blatt, das nicht die menschlichen, sondern die pflanzlichen Triebe befriedigt. Es könnte sein, daß die Natur mehr einbringt als die Revolution und das Geschlechtsleben zusammen.

„Mein Blatt soll einen naturverbundenen Titel bekommen”, sagte Peterle. Die neue Zeitung heißt „Das Chamäleon”.

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