Kausal scheinheilig

Ich verachte Amazon. Das Unternehmen macht ein Jahrhundertgeschäft und die restlichen Händler schauen in die Röhre. Ganz zu schweigen von dieser widerlichen Steuertrickserei. Dennoch habe ich jüngst auf der Plattform einen Hot-Wheel-Truck bestellt. Für meinen Neffen, der bald Geburtstag hat.

Warum ich keine alternativen Wege gesucht habe? Weil ich wie immer zu spät dran war. Wer mir jetzt Scheinheiligkeit vorwirft, hat vollkommen recht. Die eigentliche Geschichte ist aber, was mir Amazon unterstellt. Ich musste extra ein Konto eröffnen und wurde just mit einer maßgeschneiderten Produktempfehlung bombardiert. Es handelte sich um ein Buch mit dem Titel: „Wie man Freunde gewinnt“. Dass mir Amazon weismachen will, ich hätte keine Freunde, ist unerhört. Oder will es mir prophezeien, dass sich meine Freunde 2021 vertschüssen werden? Oder auf der Startseite ist eine unsichtbare Kamera installiert, die mein Gesicht als verbittert und/oder frustriert eingestuft hat, was Algorithmen veranlasste, mich als person who has no friends auszuweisen.

Der Hot-Wheel-Truck ist ein Transporter für die Fahrzeuge der Hot-Wheel-Bahn. Die besitzt mein Neffe bereits. In einem Forum habe ich gelesen, dass analoge Autorennbahnen das Wissen über das Prinzip von Ursache und Wirkung fördern. Diese Kausalordnung – ich tue dies und das und habe dann dieses oder jenes Ergebnis – gilt ja auch für die Disziplin „Wie man Freunde findet“. Beim gleichnamigen Buch steht im Onlineklappentext, dass es wichtig ist, andere, also potentielle Freunde, so zu behandeln, dass sie sich wichtig und anerkannt fühlen. Das hat Amazon in meinem Fall verbockt. Aber mein Neffe kriegt pünktlich den Truck. Also, so schwer es mir fällt: Waffenstillstand.

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