Lena Schilling und ihr Norwegengate

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Wie viele Rebellen aus der Generation Z glaubt Lena Schilling vermutlich ernsthaft, die Welt hätte nur auf sie und ihre Ideen gewartet, meint Brigitte Quint. Daher hätte man sie von Anfang schützen müssen - anstatt sie den üblichen Spöttern zum Fraß vorzuwerfen.

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Wie viele Rebellen aus der Generation Z glaubt Lena Schilling vermutlich ernsthaft, die Welt hätte nur auf sie und ihre Ideen gewartet, meint Brigitte Quint. Daher hätte man sie von Anfang schützen müssen - anstatt sie den üblichen Spöttern zum Fraß vorzuwerfen.

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Ein Kollege von einem anderen Medium wollte unlängst von mir wissen, wie ich den Fauxpas von Lena Schilling bewerte. Er finde, man müsse ihr dafür „eine auflegen“.
Für alle, die jetzt nur Bahnhof verstehen, eine kurze Zusammenfassung der Causa: Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl, war von ORF-Satiriker Peter Klien ausgerechnet auf dem eigenen Bundeskongress vorgeführt worden. Er fragte Schilling nach dem EU-Mitgliedsstatus von Norwegen – und blickte in ein durch und durch ratloses Gesicht. Es wurde offensichtlich, dass die 23-jährige Klimaaktivistin ihre Hausaufgaben zu den 27 EU-Staaten nicht gemacht hatte. Spott und Häme brachen sich binnen Sekunden in den sozialen Netzwerken Bahn.
Für Grünen-Kritiker oder jene, die Klimaaktivisten und/oder selbstbewussten, vorlauten jungen Leuten mit Argusaugen begegnen, ist so etwas natürlich ein gefundenes Fressen. Es wäre ein Leichtes, in die gleiche Kerbe zu schlagen. Ich will Lena Schilling aber keine „auflegen“. Ich finde vielmehr, die Entscheidung, eine blutjunge Quereinsteigerin, Idealistin, ja, Rebellin ins Rennen zu schicken, ist eine Unart. Die Ernennung zur Spitzenkandidatin war für Schilling sicher schmeichelhaft, und so wie viele aus der Generation Z glaubt sie vermutlich ernsthaft, die Welt hat nur auf sie gewartet. Einen Gefallen hat man ihr mit der Nominierung nicht getan. Man verwehrt ihr, sich Schritt für Schritt in das knallharte Politbusiness einzufinden, zu lernen, zu wachsen. Stattdessen steht sie nun im feuerroten Rampenlicht – wo sie Gefahr läuft zu verbrennen.

Das Norwegengate dürfte nur ein Vorgeschmack gewesen sein. Lena Schilling wird verheizt, weil die erfahrenen Entscheidungsträgerinnen und -träger in der Partei kurzsichtig und wahrscheinlich auch feige sind. Sie setzen auf eine junge, unbefangene Heilsbringerin, die bislang vergraulte Wählerherzen zum Schmelzen bringen soll. Letzteres wäre eigentlich deren Job gewesen. Dann hätte Lena Schilling Vorbilder, die ihr Orientierung gäben, und zudem Zeit genug, ihre Wissenslücken langfristig zu schließen.

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