6854064-1977_07_11.jpg
Digital In Arbeit

Schlafender Kleinriese

Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichischen Kulturzeitschriften sind nun offenbar doch, end- lich, auf dem Sprung, aus ihrem Ghetto auszubrechen. Was, jeder ein- zelnen von ihnen fiir sich allein unmög- lich, in einer gemeinsamen Initiative aber keineswegs unrealistisch er- scheint. Grundgedanke ist eine öko- nomische und organisatorische Zu- sammenarbeit, die jedem Blatt seine voile wirtschaftliche Eigenständigkeit beläßt und vor allem auch die ideologi- schen, kunsttheoretischen und sonsti- gen Standpunkte in keiner Weise tan- giert.

Als- Vehikel fand sich, von György Sebestyén initiiert, in der neu gegriin- deten „Arbeitsgemeinschaft österrei- chischer Kulturzeitschriften” immer- hin bereits ein erheblicher Teil der österreichischen Kulturzeitschriften zusammen (eingeladen hatten Peter Kraft von „linz aktiv”, Wolfgang Pfaundler vom „Fenster”, Innsbruck,. Miriam Raggam-Linquist von der Kla- genfurter „Brücke”, György Sebe- styén von der in Eisenstadt erschei- nenden „Pannonia” und Peter Smolka von „Austria Today”, das von Wien aus in alle Welt versendet wird).

Ein Grundproblem aller Kulturzeitschriften ist ihre mangelhafte Verfiig- barkeit fiir potentielle Interessenten. So bekommt man das Innsbrucker „Fenster” in Wien nur in ganzen zwei Buchhandlungen, und der „Pannonia” wird es in Innsbruck nicht anders er- gehen. Minister Sinowatz soil dem Vernehmen nach bereits seine Berëit- schaft zu erkennen gegeben haben, die Schaffung gemeinsamer Verka ufsstel- len finanziell zu unterstützen. Das würde so aussehen, daß bestimmte Buchhandlungen, in jeder Landeshauptstadt wohl zumindest eine, sämt- liche österreichischen Kulturzeitschriften fiihren und dies mit einem Plakat im Schaufenster kundtun. Eine recht nette Idee: Alte Nummern sollen auf dem Wiener Flohmarkt verkauft werden. Kulturzeitschriften veralten ja bekanntlich nicht so schnell, und ein guter Teil ihres Inhaltes iiberhaupt nicht. Manche sind sogar Sammelob- jekt.

Ein anderer zentraler Punkt des Ar- beitsprogramms, das sich die neue Arbeitsgemeinschaft vorgenommen hat: Eine Werbeagentur soli Anzeigen entgegennehmen, die in sämtlichen der Arbeitsgemeinschaft angehören- den Kulturzeitschriften erscheinen; die gemeinsame Anzeigengebühr wird nach einem noch auszuarbeitenden Schlüssel unter die Zeitschriften ver- teilt. Allein fiir sich ist nämlich jede Kulturzeitschrift zu klein und unbe- deutend, um auf dem Anzeigenmarkt anders denn als kleiner Bittsteller auf- zutreten. Gemeinsam aber haben sie nicht nur eine recht erhebliche Auflage (sicher um die 100.000 herum), sondern sie haben der Wirtschaft, Verbänden, öffentlichen Stellen und so weiter auch ein Lesepublikum zu bieten, das die sogenannten Streuver- luste zu minimieren verspricht. Buchwerbung zum Beispiel wird in kaum einem Medium so rationell durchzufiihren sein wie in den Kulturzeitschriften, die wohl kaum viele der in der Gejamtbevölkerung iiberwie- genden Nicht-Käufer oder reinen Weihnachts-Käufer von Büchern unter ihren Lesern haben dürften. So ge- sehen, könnte sich das Werbemedium Kulturzeitschrift leicht als der schla- fende Rieše bestimmter Marktseg- mente erweisen, als Kleinriese sozusa- gen. Und gerade fur die Kulturzeitschriften sind Anzeigen bekanntlich sehr oft lebenswichtig.

Der Katalog der Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit ist zu ergänzen um den Austausch ,von kostenlosen Werbeeinschaltungen zwischen be- freundeten oder wenigstens nicht ver- feindeten Kulturzeitschriften, um eine jährliche gemeinsame Veranstaltung (erstmals voraussichtlich in der Gesellschaft fiir Literatur) und eine Wan- derausstellung in den Volksbibliothe- ken, in denen sich österreichs Kulturzeitschriften ihren Lesern in spe vor- stellen, um eine Informationsschrift fiir potentielle ausländische Leser, und nicht zuletzt um die revolutionäre Neuerung eines entsprechend ermä- ßigten Block-Abonnements aller öster- reichischen Kulturzeitschriften.

Weitere Maßnahmen wären denk- bar, sobaid die Zusammenarbeit in Gang kommt. Vielleicht sogar ein Kul- tur-Lesezirkel. Entscheidend ist, daß sie in Gang kommt, und daß alle öster- reichischen Kulturzeitschriften teil- nehmen. Dazu wird manche über ihren eigenen Schatten springen, wird manche so manche Animosität gegen diesen oder jenen hintanstellen miis- sen. Aber es sieht so aus, als ware die Vernunft hier drauf und dran, sich durchzusetzen. Auf einen Frühling fiir die Kulturzeitschriften darf gehofft werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung