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Schweinsbraten -Tafelspitz?

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Österreich ist nicht gerade ein Land der Weltrekorde, nicht einmal im Skifahren fallen sie uns in den Schoß. In einem Punkt aber halten wir seit Jahren die Weltspitze: im Verzehr von Schweinefleisch. Glaubte man noch vor zwei Jahren, der Weltrekord von 36,3 kg Schweinefleisch, das ist jene Menge, die ein Österreicher durchschnittlich im Jahr konsumiert, sei kaum noch zu verbessern, zeigen die Zahlen des letzten Jahres, daß dennoch eine Steigerung möglich war. Der neue Weltrekord liegt nunmehr bei 38,4 kg Schweinefleisch pro Jahr und Österreicher.

Die Agrarfunktionäre sehen diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits freut es sie natürlich, daß der Österreicher seinen Schweinsbraten so sehr liebt, (wobei nicht übersehen werden darf, daß auch die vielen Sommer- und Wintergäste aus dem Ausland mithelfen, die Schweinebilanz in Weltrekorddimensionen zu heben), anderseits ist aber Österreichs Bauernschaft seit geraumer Zeit nicht in der Lage, selbst genug Schweine zu produzieren. Diese müssen um teures Geld aus dem Ausland eingeführt werden Die Schuld an dieser Entwicklung trägt nach Meinung der Bauern die Regierung. Als nämlich der Schiweinepreis vor zwei Jahren für die Bauern zufriedenstellend war, und sie daher genug Borstenvieh produzierten, holte die Regierung unbarmherzig Billigfleisch aus dem Ausland und zerstörte damit den heimischen Markt. Viele Bauern wandten sich von der Schweineproduktion ab — und kaum hatten sie es getan, gab es auch im Ausland kein billiges Schweinefleisch mehr.

Anders verhält es sich beim Rindfleisch. Die Maul- und Klauenseuche des vergangenen Jahres sowie die Aufwertung des Schillings und die Abwertung der Lira haben es mit sich gebracht, daß Rinder, die eigentlich nach Italien hätten exportiert werden sollen, im Inland stehengeblieben sind. Es gibt demnach mehr als genug Rindfleisch, und die Agrarfunktionäre stellen folgende Rechnung auf: Würde jeder Österreicher im Jahr nur 1 kg Rindfleisch mehr essen, und dafür auf 1 kg Schweinernes verzichten, dann könnten wir uns die Einfuhr von 75.000 Schlachtschweinen ersparen (ganz schöne Devisen f) und würden 30.000 Mastrinder im eigenen Land schlachten können. Das würde die Situation auf dem Markt ganz beträchtlich entlasten. Jedenfalls will man bereits auf der Wiener Frühjahrsmesse mit entsprechender Werbung für das Rindfleisch beginnen und auch eine Broschüre auflegen, welche köstliche Rezepte für die Zubereitung von Rindfleisch — bis zum Tafelspitz — enthält.

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