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Bauernleistung: einst und heute

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Noch vor 150 Jahren war die Landwirtschaft auf sich selbst gestellt. Alle notwendigen Geräte wurden auf dem eigenen Hof gefertigt. Seither aber sind die Bauern zu wichtigen Abnehmern von Industriegütern geworden.

Dabei treten die alten Produktionsfaktoren Boden und Arbeitskraft heute hinter dem Produktionsfaktor Kapital aller Art zurück (Maschinen, Düngermittel, Futtermittel usw.). Dieser Ersatz von Menschen und Bodenfläche durch das Kapital kommt äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß wir heute auf der gleichen Fläche mit weniger Arbeitskräften, aber mit mehr Kapitalaufwand, ein Vielfaches von dem erzeugen, was zum Beispiel im Jahre 1786 geerntet wurde.

Das Jahr 1786 sei deshalb als Vergleichsjahr gewählt, weil uns in diesem Jahr durch die Josefinische Fassion die Möglichkeit eines Vergleiches der Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft von früher mit einer heutigen gegeben wird. Mit dieser Aufzeichnung kann man die große Produktionssteigerung in den letzten 180 Jahren feststellen. In der altehrwürdigen Fassion wurden zum ersten Male die Erträge der Felder eines ganzen Dorfes aufgenommen. Damit kann man sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Lage der damaligen Bauern machen. Als Vergleichs jähr wird die Erzeugung im Jahre 1954 genommen.

Der untersuchte Betrieb liegt in Dallein im politischen Bezirk Horn, Niederösterreich. Die 30,07 Hektar Gesamtbesitz der Wirtschaft liegen zirka 500 Meter hoch auf der welligen Hochfläche des nordöstlichen Waldviertels.

Das Kulturartenverhältnis zeigt eine teilweise größere Verschiebung. Das Ackerland hat sich in der Vergleichszeit um 20 Prozent vergrößert. Es hat sich auf Kosten der Hutweide und des Waldes erhöht. 1786 gab es noch mehr als vier Hektar Hutweide; es waren dies die schlechteren Ackerböden, die der Bauer für die Weide (Rinder und Schafe) ackerbaulich ungenutzt liegen Heß. Das war notwendig, da es ja noch keinen Feldfutterbau gab und der Anteil der Wiese für die Fütterung der Rinder zu klein war. 1954 ist der Betrieb eine ausgesprochene Ackerwirtschaft.

Entsprechend der Dreifelderwirtschaft lag im Jahre 1786 ein Feld brach, während es 1954 überhaupt keine Brache mehr gibt. Das Winter-und Sommerfeld ist durch die Pachtäcker, die der Besitzer 1954 bewirtschaftete und daher für den Vergleich auch für das Jahr 1786 hereinbezogen werden mußte, größer, sonst sind die drei Felder ungefähr gleich groß. Die alte Dreifelderwirtschaft kannte nur einen Getreidebau. Im Winterfeld überwiegt der Roggen; nur kleine Flächen wurden mit Weizen bebaut.

Da unsere Bauern heute für den MarÄt wirtschaften, bauen sie auch in erster Linie marktgängige Produkte: Weizen, Gerste und Kartoffeln. Nun ist aber auch die Rinderund Schweinezucht und -mast verbreitet, daher der Feldfutterbau. Vergleichen wir nochmals die beiden Anbauflächen, so fällt uns sofort die große Anzahl der Produkte im Jahre 1954 auf, während 1786 nur drei Produkte feldmäßig angebaut wurden. Flachs, Kraut, Rüben waren den Bauern damals keineswegs unbekannt, aber diese Produkte wurden nicht im Zyklus der Dreifelderwirtschaft angebaut; sie wurden gartenmäßig auf kleinen, dorfnah gelegenen Parzellen angebaut (zum Beispiel „Krautäcker“). Das zweite ist der hohe Anteil des Brachlandes, das aber zur Regenerierung des Bodens und als Viehweide im Sommerhalbjahr notwendig war.

Dazu kommen noch für das Jahr 1954 die geernteten Mengen aus dem Feldfutteranbau (4,44 Hektar). Rechnen wir die Hackfrüchte im Verhältnis 4:1 auf Getreidebasis um, so ergibt sich ein Ernteverhältnis von 1786 1954 9449 kg zu 71.874 kg

Nimmt man noch für 4,4 Hektar Feldfutterbau etwa 9000 kg Getreide, so erhöht sich die Ernte 1954 auf 80874 kg Getreidebasis. Der Erntevergleich 1786 mit 1954 hat ein Verhältnis von 1:8,5; es wurde also 1954 die achteinhalbfache Menge von 1786 geerntet. Diese enorme Ertragssteigerung ist durch die Verwendung von großen Handelsdüngermengen (1954 wurden 14.110,50 Schilling für Handelsdünger ausgegeben) durch bessere Bearbeitung, besseres Saatgut und durch Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln möglich gemacht worden.

Von der Ernte im Jahre 1786 mußte ungefähr der vierte Teil für die Saat bereitgestellt werden und der zehnte Teil („Zehenf“) als Abgabe für den Grundherrn abgeführt werden. Saat und Zehent machen beim Roggen 1594 kg, beim Weizen 172,2 kg und beim Hafer 1540,30 kg aus. Es verbleiben dem Bauern zur Bedarfsdeckung 2961,40 kg Roggen, 319,80 kg Weizen und 2860,70 kg Hafer.

Mit dieser Menge mußte der Bauer den täglichen Nahrungsmittelbedarf und Futtermittelbedarf für ein Jahr decken. Es konnte daher für einen Verkauf nicht mehr viel übrig bleiben. Die gesamte Erzeugung diente eben der Selbstversorgung.

Vergleichen wir nun dazu die Marktlieferung der gleichen Wirtschaft im Jahre 1954, also 170 Jahre später. Von der Produktion des Ackerbaues wurden verkauft: 10.226 kg Weizen, 5010 kg Roggen, 7985 kg Gerste, 45.500 kg Kartoffeln und 21.620 kg Zuckerrüben.

Es wurde die gesamte Zuckerrübenernte verkauft; beim Weizen und Roggen wurden neben der Saat nur kleine Mengen zurückgehalten; ähnlich ist es bei der Gerste, von der ein Teil verfüttert wurde. Von den Kartoffeln wurde fast die Hälfte der Erzeugung als Industriekartoffeln auf den Markt gebracht. Nur der Hafer und die Erträge aus dem Feldfutterbau wurden zur Weiterverfüt-terung in der Rinder- und Schweinemast im eigenen Betrieb zurückgehalten. Es wurden etwa zwei Drittel der Ernte des Ackerbaues dem Markt zugeführt. In der Tierzucht wurde ein noch größerer Prozentsatz der Erzeugung dem Markt zugeführt.

Die Bauernwirtschaft hat sich somit zu einer ausgesprochenen Marktwirtschaft entwickelt. Der Bauer von heute braucht auch unbedingt den Markt, denn es mußten und müssen noch viele große Investitionen auf dem Bauernhof vorgenommen werden. Um solche Erträge zu erzielen, bedarf es erhöhter Betriebsmittel. Die Wirtschafts- und Wohngebäude entsprechen keineswegs mehr den geänderten Verhältnissen. So muß der heutige Bauer für den Markt erzeugen, um die nötigen Mittel zur Umstellung, in der sich unser Bauernstand befindet, zu bekommen.

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