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Schwer begreiflich

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Je länger man in dem Roman „Der Verlust“ von Siegfried Lenz liest, umso deutlicher vermißt man etwas.

Klinisch genau dargestellt sind die Folgen eines Schlaganfalles. Er hat bei Ulrich Martens Sprachaus- fall zur Folge, „diesen unerhörten Verlust“, denn: „Sprachverlust, das ist nicht weniger als Weltver­lust. Einst äußerte er die „Ansicht, daß Literatur auch dies als Aufga­be anzusehen habe.Die Unerkenn­barkeit des Menschen zu bestäti­gen.“ Nun ist es so weit. Er liegt hilflos im Spital, „unerkennbar“, aber selber alles erkennend.

So weit, so ausgezeichnet, wie immer bei Siegfried Lenz. Aberda ist Nora (nomen atque omen - seit Ibsens geradezu berüchtigter Büh- nenfigur), die Freundin, eine Bi­bliothekarin und nicht mehr ganz junge Frau. Zwei eigenartige Ein­zelgänger (aber als durchaus ei­genartig ist auch das übrige Ro­manpersonal beschrieben), die den Glücksfall ihrer Begegnung zu schätzen wissen.

Warum aber hat diese Nora nichts Wichtigeres zu tun, als das schöne Bild, das er ihr schenken wollte, zurückzustellen, also in die leere Wohnung des Schwerkran­ken bringen zu lassen, anstatt ihn zu besuchen: Es ist ihr völlig klar, daß er auf sie (und nur auf sie) wartet, sie wußte es schon, ehe der Stationsarzt sie aufsucht (er scheint überhaupt nichts zu tun zu haben, als Uli sorgfältig zu betreu­en) und ihr erklärt, daß weitere Fortschritte der Gesundung von ihrer Haltung abhängen.

Erst sechs Seiten vorm Schluß kommt sie endlich „mit glückli­cher Verwunderung, so als könnte sie die Nöte und Mühseligkeiten nicht begreifen, die sie hatte auf sich nehmen müssen, bevor sie in dieses Zimmer gekommen war“. Nun Auch der gewiegteste Lenz- Leser kann es nicht recht begrei­fen.

DER VERLUST. Von Siegfried Lent. Verlag Hoffmann und Campe. Hamburg 1981. 223 Sei» ten. Ln.. öS 215.60

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