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Suche nach der Wahrheit - in Basel konsequent

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Gedanken, Gesprächsfetzeh und erahnte Gefühle - eine seltsame Mischung aus Realismus und Symbolismus und eine psychologische Auseinandersetzung mit dem Text - das sind die Haupteindrücke der Baseler Inszenierung von Gerhard Roths zweitem Bühnenstück „Sehnsucht“ unter Horst Z an kl. Die sensible, ganz auf Distanz angelegte Regie, die die Brisanz des Themas - Liebe und Wahrheit und die in ihrer Sehnsucht danach verstrickten Menschen — in einzelnen Kurzszenen subtil aufflackern läßt, verzichtet bewußt auf den spektakulären Schluß der Grazer Aufführung (siehe FURCHE Nr. 41/1977), dem Mord des Schriftstellers Albert an seiner Geliebten.

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Gedanken, Gesprächsfetzeh und erahnte Gefühle - eine seltsame Mischung aus Realismus und Symbolismus und eine psychologische Auseinandersetzung mit dem Text - das sind die Haupteindrücke der Baseler Inszenierung von Gerhard Roths zweitem Bühnenstück „Sehnsucht“ unter Horst Z an kl. Die sensible, ganz auf Distanz angelegte Regie, die die Brisanz des Themas - Liebe und Wahrheit und die in ihrer Sehnsucht danach verstrickten Menschen — in einzelnen Kurzszenen subtil aufflackern läßt, verzichtet bewußt auf den spektakulären Schluß der Grazer Aufführung (siehe FURCHE Nr. 41/1977), dem Mord des Schriftstellers Albert an seiner Geliebten.

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Fast entrückt ergeht sich das - vorzügliche - Baseler Team in seinen Träumen und Phantasien, läßt Zankl Hoffnungen und Handlungen zunächst fast normal erscheinen, um Be- ziehungslosigkeit und Selbstzerstörung mit fortschreitender Aufführung immer stärker hervorzuheben, bloßzustellen. Damit schafft es Basel, mit knapp zwei Dutzend Dialogseiten einen fast dreistündigen, spannungsreichen Theaterabend aufzubauen, der in seiner feinen Nuancierung und der knappen, lyrisch-verbrämten Handlung eher Vorbild für zukünftige Inszenierungen sein dürfte als Wolfgang Bauers „Ur-Ur-Version“ beim Steirischen Herbst.

In Basel erscheint alles konsequent: Albert, der egozentrisch mit sich selbst beschäftigte Schriftsteller, der sich auf der Jagd nach der Vereinbarkeit von Liebe und Wahrheit immer mehr in die Einsamkeit manövriert, aber auch das ständige Aneinander- vorbeireden aller anderen Beteiligten, das sich schließlich in der Erschießung des Hundes ein Ventil schafft, sowie die groteske Idee Zankls, Al- berts Identitätsverlust mit der Verkleidung der Geliebten in ihn selbst zu demonstrieren. Scharf unterscheidet sich die Baseler Inszenierung auch in der Person des Lehrers Odörfer. Keine Komik - trotz gelegentlicher absurder Gags und bitterem Humor - zeichnet die Figur aus, die bei Zankl zum eigentlichen Gegenspieler Al- berts wird, sondern eher eine skurrile Tragik - im gleichen Lügengewebe verfangen, in dem alle Personen Roths umherirren. Hinzu kommt die vollkommen überzeugende Leistung Boris Mattėrns, der in dieser Rolle ohne Zweifel die stärkste Leistung der auch sonst ausgezeichnet gespielten Aufführung bietet.

Auch das Bühnenbild des österreichischen Malers Peter Pongratz liegt im Rahmen der Erwartungen des Autors, der von einer „kitschigen Postkartenlandschaft“ spricht. Vor einem weitgezogenen Hochgebirgs- panorama mit verschneiten Gipfeln, das durch eine suggestive Lichtregie von zarter Morgendämmerung über gleißendes Mittagslicht bis zum plastischen Sonnenuntergang und tiefer Nacht geprägt wird, zieht sich eine frühlingsblumenübersäte grasgrüne Wiese um die Ufer eines idyllischen Bergsees, auf der vom Gartenmobüiar bis zum fröhlich hüpfenden Kanarienvogel all jene Alltagsutensüien zu finden sind, die als kunstvolle Abbüdüng des Natürlichen gelten. In dieser fast unwirklich-gespenstigen Szenerie gehen schließlich die Figuren auseinander, bleibt der von seiner Geliebten verlassene Albert (recht überzeugend: Klaus-Henner Russius) in seinem wehleidigen Wahn und der Lüge zurück, daß ohnehin nirgends „ein Unterschied“ sei - so oder so. Ein sorgfältig aufgebauter Abend, der vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.

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