6993722-1987_02_05.jpg
Digital In Arbeit

Supermacs schwarzer Punkt

Werbung
Werbung
Werbung

Der Earl of Stockton war ein ehrenwerter Mann. Die Nachrufe auf den „grand old man“ der britischen Nachkriegspolitik hoben zu Recht die vielfachen Verdienste des „Supermac“ hervor: Harold MacMillans Funktion als „soziales Gewissen“ der Konservativen, als Vorkämpfer der Europapolitik, als Mitunterzeichner

des österreichischen Staatsvertrags.

Nur ein Punkt blieb meist ausgeklammert, der in England auch heute noch tabu ist: die Mitverantwortung des damaligen britischen Ministerresidenten beim Alliierten Hauptquartier für eine der übelsten Aktionen der Nachkriegszeit - die Auslieferung von 40.000 Russen, die im Krieg auf deutscher Seite gestanden waren, an die Sowjets, im vollen Bewußtsein, daß ihnen schwere Repressalien drohten.

Seit 1944 hatten die Sowjets die Repatriierung der in westlichen Gefangenenlagern lebenden „sowjetischen Staatsbürger“ gefordert; die Konferenz von Jalta hatte dem zugestimmt.

Als aber der britische Oberkommandierende, Feldmarschall Harold Alexander, schwerste Einwände erhob und sich Amerikas Dwight D. Eisenhower ihm anschloß, da bemühte sich sogar Win-ston Churchill in Potsdam, die bereits laufende Aktion zu stoppen.

Da war es MacMillan, der

selbst in Klagenfurt dem General Charles Keightely Weisung gab, die Auslieferung möglichst rasch abzuwik-keln, obwohl auch ihm bekannt war, daß sich unter den 40.000 Russen in Kärnten und Osttirol Tausende ehemaliger Emigranten von 1918 und ihrer Nachkommen befanden, die nie sowjetische Staatsbürger gewesen waren, Frauen, Kinder, Greise.

Das Internationale Militärgericht in Nürnberg zählte als eines der wichtigsten Kriegsverbrechen auf: „i.. Mißhandlung oder Deportation zur Zwangsarbeit... der Zivilbevölkerung oder der Kriegsgefangenen...“

Harold MacMillan hat sich nie davon distanziert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung