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Transitmann Kopelew

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Zwischen Feind und Idol schwankt Rußlands Bild im Spiegel deutschsprachiger Intellektueller. Bedeutsam daher dieses Buch, dessen Autor in der Kultur Deutschlands und Rußlands gleichermaßen verwurzelt ist.

Wenn Kopelew der Brückenfunktion literarischer Werke von Goethe bis Christa Wolf analytisch nachgeht, übertrifft er die Wirkung eines literaturgeschichtlichen Essays bei weitem, weil er selber in seinem Wesen und Schicksal eine solche leibhafte Brücke zwischen Deutsch und Russisch darstellt.

Wir anderen bedürfen zu einem solchen Uberstieg meist des Ubersetzers — was aber fällt bei diesem „Uber-Setzen“ ans andere Ufer ins Wasser? Was taucht nur verfremdet wieder auf? Was erscheint in der anderen Sprache aufgefrischt und mit neuer Aura bereichert?

Mit diesen Fragen hebt das Buch an, denn der Gelehrte Kopelew gibt ihm eine verläßliche Struktur, angereichert mit der Fülle von Zitaten aus dem Reichtum eines kritischen Leserlebens. Der „Transitmann“ Kopelew, wie ihn Anna Seghers nennt, führt uns an Hand der Kafka-Rezeption in den kommunistischen Ländern oder der Entwicklung des Faust-Themas den Holperund Stolperweg, der nunmehr in die Ära Gorbatschow mündet.

Darüber hinaus aber erleben wir, wie ein Charakter zwischen den Winden des Zeitgeists, die in West und Ost von den riesigen Windmaschinen der Medien oder der verstaatlichten Kulturmaschinerie angeblasen werden, unbeirrt dem wahren Geist offensteht, der bläst, wo er will.

DER WIND WEHT, WO ER WILL. Gedanken über Dichter. Von Lew Kopelew. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1988. 320 Seiten, öS 296.-.

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