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Trotta starb nicht

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Die Joseph-Roth-Retro- spektive des ORF brachte uns Johannas Schaafs filmisches Meisterwerk „Trotta” wieder einmal auf den Bildschirm. Vorsichtshalber versichert Sch’aaf, er habe nur „Motive” aus Roths „Kapuzinergruft” verwendet; denn alle bisherigen Verfilmungen und Dramatisierungen der Werke Roths verkürzen den Dichter um seine eigentliche Aussage.

Welcher Fernseher erriet denn schon, was es ist, das der vor dem Wahnsinn dieser Welt ins Irrenhaus geflüchtete polnische Graf Chojnicki aus bunten Stoff- und Papierresten zusammensetzt? Es ist die Landkarte Österreich-Ungams.

Schaafs grandioser „Trotta” endet, der heute gültigen Mythologie folgend, nach einigen Roth zuwiderlaufenden Beschimpfungen „der Klerikalen” mit dem Februar des Jahres 1934. Trotta wandert in den Wienerwald, um sich irgendwo, in der Gegend von Mayerling, zu erschießen.

Josephs Roths „Kapuzinergruft” endet 1938, in jener Nacht vom 11. zum 12. März, in der Österreich ausgelöscht wurde, für sieben Jahre unseres Lebens. In dieser Nacht irrt Trotta durch die Straßen Wiens. Wohin soll er jetzt, er, ein Trotta?

„Die Kapuzinergruft, wo meine Kaiser liegen, ist geschlossen. Der Bruder Kapuziner kam mir entgegen und fragte: ,Was wünschen Sie?* - Ich will den Sarg meines Kaisers Franz Joseph besuchen1, erwiderte ich. - ,Gott segne Sie”, sagte der Bruder und schlug das Kreuz über mich. - ,Gott erhalte!1 rief ich. - ,Pst!’ sagte der Bruder.”

Pst! sagen die Regisseure und Produzenten der Jo- seph-Roth-Verfilmungen. Als Johannes Schaafs Meisterwerk durch die Kinos lief, fragte ich in dieser Zeitung, ob sie denn nicht Angst hätten, die Produzenten und die Regisseure, Joseph Roth könnte herabdonnem aus den Wolken, auf denen er seit seinem Säufertod elysisch thront, umrauscht von Doppeladlern und umweht von schwarz-goldenen Fahnen.

Das war vor vielen Jahren, und heute weiß ich, daß ich mich geirrt habe. Der Dichter, der uns eine österreichische Vergangenheit hinterließ, so schön und so groß, wie sie in Wirklichkeit niemals war, aber eben gültig für immer, ließ nicht Feuer zur Erde fallen. Er warf nur einen langen stummen Blick den alten Freunden von der linken Reichshälfte zu, den Weggefährten seiner Jugendjahre. Und das Ergebnis war recht merkwürdig.

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