Nein, sie wissen fast nichts von uns“, klagen Siebenbürgener Flüchtlinge in Budapest über die Menschen im Mutterland. Für den Mann auf der Straße war erst die Dörferzerstörung notwendig, um sich auf Siebenbürgen zu besinnen.
Abgesehen von Kneipengesprächen Älterer und einer, dünnen Schicht, die auch in europäischen Dimensionen denkt, fehlt das Phänomen
Siebenbürgen im Bewußtsein ganzer ungarischer Jahrgänge.
Nun zeigt sich die Frucht jener gewissenhaften Arbeit der Politiker und ihrer Mitläufer, die jahrzehntelang -unter Berufung auf eine im Abbusseln wohlgefütterter Funktionäre zum Ausdruck gebrachte ungarisch-rumänische Freundschaft — selbst das Wort Siebenbürgen nicht auszusprechen bereit waren, geschweige denn vom Schicksal der zwei Millionen zählenden ungarischen Minderheit zu reden.
„Sie nehmen uns die Arbeit weg“, hieß es noch am Anfang. Im Land der 30.000 Arbeitslosen sind allerdings doppelt so viele Stellen frei, und die Betriebe nehmen nach wie vor gerne Flüchtlinge auf. Sie seien fleißig und zuverlässig.
Und das stimmt auch. Etwa 70 Prozent der Vertriebenen bestehen aus geschulten Facharbeitern. Sie müssen allerdings noch einiges dazu-lernen. Ihre hiesigen Kollegen sind nämlich gerade dabei, im Zug der allgemeinen Demokratisierung ihre Rechte wahrzunehmen.
Die Siebenbürgener
Flüchtlinge erleben im Mutterland eine gewisse Entfremdung — zusammengesetzt teils aus Wohlstandsgleichgültigkeit, teils aus Erschöpfung durch die Jagd nach der immer schwieriger werdenden Befriedigung der Lebensbedürfnisse.
Sie erleben ein geistig-kulturelles und auch religiöses Desinteresse, den wachsenden Alkoholismus, die kritiklose Anbetung jedes westlichen Schundes und die instabil gewordenen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die Abtreibungsrate unter Siebenbürgener Mädchen in Budapest ist besonders hoch. Namen der für „die Rumänen“ preisgünstig arbeitenden Frauenärzte gehen von Hand zu Hand.
