7007764-1987_48_17.jpg
Digital In Arbeit

Unis sind verschult

Werbung
Werbung
Werbung

Immer dann, wenn eine Mängelliste, unsere Hochschulen betreffend, aufgestellt wird, fehlt der Vorwurf der Verschulung nicht, daß nämlich das Studium an österreichischen Hochschulen nach einem festen vorgeschriebenen Lehrplan — Studienplan — aufgebaut ist, der kaum eine Wahlfreiheit zuläßt. Dieser Vorwurf ist in der Regel verbunden mit einem Bedauern über ein nicht ausreichendes Lehrangebot und mit dem Wunsch nach einer größeren Vielfalt an Lehrmeinungen und neuen thematischen Schwerpunkten.

Diese Mängel wurden auch bei dem Streik der Studenten unterschiedlichen Adressaten vorgerechnet, wenngleich der Streik eine größere Perspektive hatte. Denn die Einfrierung der Forschungsmittel und des Lehrangebots im jetzigen Stand ist mit der Angst verbunden, von privaten Geldgebern abhängig zu werden. Diese werden die Hochschulen bei der Knappheit der öffentlichen Geldmittel zwar vermehrt brauchen, und es ist auch aus Gründen der Verwertung der universitären Forschung eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sinnvoll.

Was aber die Autonomie und die Freiheit der Lehre betrifft, reagieren die Hochschulen in all ihren Vertretern mit Recht sehr sensibel. Eine Beeinträchtigung der Autonomie und die Unmöglichkeit der Wahl aus einer gewünschten Fülle von Lehrangeboten ist der eine Strang des Problems der Verschulung.

Der andere Strang betrifft die freie Organisation des Studiums durch die Studenten. Das hat wieder zwei Seiten: Einmal die durch Studienordnung und Studienplan normierte Verschulung und dann die über die Studiendauer erzwungene Verschulung. Das eigentliche Thema des Streiks war die Verschulung durch die Studiendauer. Denn eine Verkürzung des Studiums bringt den Druck mit sich, nur nach dem Studienplan studieren zu können, um aus finanziellen Gründen in der zulässigen Zeit fertig zu sein. Mit der Herabsetzung der Altersgrenze für die Famüienbeihilfe von 27 auf 25 Jahre fördert man also die Verschulung.

Geschätzte 30 Prozent der Maturanten wissen noch nicht genau, was sie studieren möchten. Viele Studenten verlieren zunächst wenigstens ein Semester, in der Regel zwei, weil sie erst ihre Neigung und ihre Eignung finden müssen. Die Studiendauer reicht von acht bis vierzehn Semester. Wer also in der vorgeschriebenen Studiendauer fertig sein will oder muß, weil er sonst keine Unterstützung mehr bekommt — was speziell für die Abschlußzeit sehr schwierig ist -, kann nur laut Studienplan studieren, ohne über die Grenzen seines Faches hinausschauen zu können.

Daß Angepaßtheit für viele erwünschter zu sein scheint als Offenheit gegenüber anderen Disziplinen, vielleicht auch gegenüber anderen Methoden und Forschungsrichtungen des eigenen Fachs und als Kreativität, könnte vielleicht die nicht ganz unzutreffende Schlußfolgerung sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung