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Verfremdung in der Fremdwortschreibung

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Wir wissen alle, daß die Fremdheit gegenüber dem Altgriechischen ständig zunimmt. In den Gymnasien wird es immer wengier gelehrt. Und wenn einstens Historiker, die nicht von einem humanistischen Gymnasium kamen, beim Weiterstudium an der Universität das „Graecum" absolvieren mußten, so ist das längst abgekommen. Heute sind auch die meisten jungen Ärzte des Griechischen unkundig, obwohl der Großteil der medizinischen Terminologie aus dem Altgriechischen stammt.

In unserer Gegenwart scheint man die Erinnerung an diese Sprache noch weiter verdrängen zu wollen, indem man sich auch in der Schreibweise von ihr entfernt: Statt ph schreibt man f: Telefon, Fotografie, Biografie. Bei Bibliographie ist man vorläufig, besonders in wissenschaftlichen Werken, zumeist noch bei der alten Schreibung geblieben.

Doch wenn es so weitergeht, wird man das ph bald völlig durch das f ersetzen und in entsprechender Konsequenz dann zum Beispiel schreiben: Fantasie, Fantom, Fänomen, Fase, Filister, Filosofie, Fiole, Fobie, Flegma, Fräse, Fysik - und im Inlaut: Aforismus, Amfibie, Amfore, Asfalt, Profylaxe, Strafe. (Diese Schreibung des letztgenannten Wortes findet man sogar schon bei Stefan Zweig in dessen Tagebucheintragung vom 20. September 1912). Dann kämen auch noch die Eigennamen an die Reihe: Filip, Filomene, Afrodite, Ofelia, Orfeus, Fäton.

Analog dazu wird es auch dem griechischen th ergehen. Dann müßte man sich an Wortbilder wie Teater, Teolo-gie, Terme, Tese - und im Inlaut an Antologie, Antropologie, Astma gewöhnen. Letztlich bestünde wohl auch kein Hindernis mehr, das rh im Anlaut griechischer Wörter gegen ein bloßes r zu vertauschen: Rapsodie, Retor, Reuma, Rytmus, Rotazismus und so weiter.

Zu Unterschied davon verhält man sich etwa gegenüber dem Englischen, das unser Deutsch immer mehr durchsetzt, durchaus korrekt bei der Schreibung von übernommenen Ausdrük-ken, die mit der Zeit gang und gäbe geworden sind; etwa boom, city, im-age, know how, manager, muten, oka y. out, publicity, train. Da müßte man, wenn man ähnlich vorginge wie bei Wörtern aus dem Griechischen, etwa bum, no hau, mätsch, aut, und so weiter schreiben. Derartige Entstellungen wagt man bei der Übernahme englischer Wörter nicht. Hat man vor dem Altgriechischen weniger Achtung, weil es eine sogenannte tote Sprache ist?

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