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Wahn oder Wahrheit?

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Unter dem Titel „Gespensterpferde" werden zehn Geschichten aus dem Nachlaß von Tania Büxen zum ersten Mal ins Deutsche übertragen. Sie entstanden zwischen 1905 (als sie zwanzig war) und 1962, dem Jahr ihres Todes, und bieten dem Leser eine Skala aller Töne, deren die große Erzählerin fähig war — von der pointierten Kurznovelle und der ironisch gefärbten Groteske bis zu phantastischen Begebenheiten und mystisch hintergründigen Erfahrungen.

Beispiele? Die Themen sind für das eigentümliche Genie der Autorin charakteristisch: Eine ehrbare Amsterdamer Großbürgerfamilie bezahlt einen ihrer Söhne, damit er das metaphysische Gleichgewicht herstellt, indem er alle Sünden begeht, die sie, um tugendhaft zu bleiben, unterlassen muß.

Samson, dem Scharfrichter, widerfährt eine Begegnung, die ihn veranlaßt, einer hochfahrenden Marquise auf dem Schafott seine Reverenz zu erweisen.

Der „kleine, stille alte Herr", Onkel Seneca genannt, der sich ängstlich vor Erkältungen hütet, bekennt ausgerechnet einer jungen Dame, Jack the Ripper gewesen zu sein. Wahn oder Wahrheit?

Ein Kindermörder wird von seinem eigenen Gewissen in den Tod getrieben. Auf der Insel, auf die sich der Schriftsteller Eugene zurückzieht, um die Welt durch ein Buch zu verändern, wird seine Frau von den Schatten der Vergangenheit eingeholt. Der Schauer vorgeschichtlicher Mythen begleitet den jungen Björn bei der Suche nach seinem Namenstier, einem legendären Bär.

Die Quintessenz all dieser geheimnisvollen Erzählungen hat Tania Blixen in der letzten Geschichte festgehalten. Mittels eines Puppenspielers bekennt sie, ihre Geschichten mit dem Tod bezahlt zu haben. Der Leser ist der ergriffene Nutznießer dieses hohen Preises.

GESPENSTERPFERDE. Nachgelassene Erzählungen. Von Tania Blixen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1984. 277 Seiten, geb., öS 232,50.

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