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Lebendiges Dasein

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Die 1885 geborene dänische Baronin Tania Blixen begann, wie sie einmal erzählt, auf ihrer Kaffeeplantage in Kenya zu schreiben, „um sich während der Regenzeit zu unterhalten“. Erst als sie im Jahre 1931, infolge eines enormen Sturzes der Kaffeepreise, ihre Farm aufgeben mußte, widmete sie sich intensiver der Schriftstellerei. Ihr schmales, aber anspruchsvolles literarisches Werk — einige Bände Erzählungen und der Erlebnisbericht „Afrika — dunkel lockende Welt“ (das übrigens in deutscher Übersetzung auch als rororo-Taschenbuch Nr. 133 vorliegt) — ist Zeugnis einer angeborenen aristokratischen Lebenshaltung, eines hochkultivierten Stils und Formgefühls, wie wir sie nur 6elten noch finden. Wie wenige hierzulande kennen aber Tania Blixen, die sich auch Karen Blixen und Isak Dinesen nennt. Wer weiß schon, daß sie kürzlich erst wieder als An-wärterin auf den Nobelpreis genannt wurde? So möchte man wünschen, daß ihre jetzt in einer ausgezeichneten deutschen Übersetzung von W. von der Mülbe und W. E. Süskind vorliegenden letzten Erzählungen zum Anlaß würden, dieser faszinierenden Frau und vollendeten Erzählerin auch bei uns einen breiteren Leserkreis zu gewinnen.

Tania Blixen ist eine Einzelgängerin in der zeitgenössischen Literatur. Ein italienischer Kardinal, den sie in dem vorliegenden Buch seine Geschichte erzählen läßt, formuliert einmal, worauf es ihr in ihren Erzählungen ankommt, als er zum Schluß die moderne Erzählkunst, „die Literatur der Individuen“, die er ein „menschliches Produkt“ nennt, gegen die „göttliche Kunst“ des Geschichtenerzählens abgrenzt:

„Eme Geschickte. . . hat einen Helden; Sie sehen ihn klar. .. leuchtend und wie auf einer höheren Ebene. Welcher Art er auch sein mag, in der unsterblichen Geschichte gewinnt der Held Unsterblichkeit. Ali Baba, an sich nichts weiter als ein ehrsamer Holzhauer, ist der angemessene Held einer großartigen Geschichte. Wenn aber die neue Literatur allein herrschen und es keine Geschichten mehr geben wird, werden auch die Helden aussterben. Die Welt wird, traurig genug, ohne sie auskommen müssen bis zu der Stunde, wo göttliche Mächte es an der Zeit finden werden, wieder eine Geschichte zu schaffen, in der ein Held erscheinen kann.“

Nun, bei Tania Blixen gibt es noch Helden, und es gibt die große Tragödie, von der eine andere ihrer Gestalten, ein alter Maler, sagt, daß auch sie dem Untergang geweiht sei. Hier also finden wir sie noch: Geschöpfe, deren Geist und Sinne im Einklang, die auf der Erde daheim und doch dem Überirdischen verbunden sind. Menschen, die ein Schicksal haben und die eher zugrunde gehen, bevor sie ihm ausweichen. Menschen, die nicht knausern können, die überschwänglich geben und nehmen und denen doch Maß und Haltung eingeboren sind, als Mitgift einer langen Ahnenreihe, die sie trägt und bestimmt, selbst wenn sie ihre Fesseln sprengen.

So kräftig und leuchtend das alles hier noch einmal beschworen wird — Menschen, die in der Fülle ihres persönlichen Daseins doch zugleich für etwas Überindividuelles stehen, in ihrem weitgespannten Bereich — es ist doch, wie der Kardinal und der Maler mit gelassener Trauer feststellen, Ausklang einer sterbenden Welt. Vielleicht genießen wir ihren Zauber so beglückt und dankbar, weil sie uns in der Wirklichkeit kaum mehr begegnet.

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