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Wasser

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Es ist eine typisch abendländische Weisheit, daß das „Wasser zum Waschen“ dasei. Man muß schon sehr viel Wasser haben, um darin den Hauptsinn zu sehen. Für einen Orientalen ist das ganz anders: Für ihn ist das seltene und kostbare Wasser Zeichen des Lebens — zum Trinken und zum Bewässern. Beim Waschen mag man da sparsamer sein.

Die Bedeutung des Wassers als christliches Symbol ist daher vom Orient her zu verstehen: Ohne Wasser gibt es kein Leben, nur Wüste, Tod und Verderben. Ins Wasser eingetaucht werden heißt: in neues Leben eingetaucht werden, wiedergeboren werden. Erst die zweite Bedeutung dieses alten Symbols bedeutet Reinigung, Befreiung von Schuld.

In den frühchristlichen Bräuchen spielt gerade zu Ostern dieses Wasser eine bedeutende Rolle. Denn zu diesem hauptsächlichen Tauftermin stand die Weihe des Wassers im Mittelpunkt . der Aufmerksamkeit: In eigenen Baptisterien wurde in einem großen Becken durch Untertauchen getauft. Die erwachsenen Taufbewerber hatten eine lange, oft dreijährige Vorbereitungs- und Probezeit hinter sich. In derselben Nacht erhielten sie ja als Erwachsene die Firmung und die Eucharistie. Was im heutigen Brauchtum auf die Säuglingstaufe, die kindliche Erstkommunion und die Firmung des Jugendlichen, also auf meist vier zehn Jahre verteilt ist, geschah damals in einer Nacht.

Die orientalische Symbolik des Wassers ist jedoch auch eine ambivalente: Wasser kann Leben retten, aber auch gefährden. (Ähnlich verhält es sich mit der doppelten Bedeutung des Feuers.) Die Erinnerung des Volkes Israel an Ägypten kennt diese Ambivalenz: Der Nil trat aus den Ufern, wobei sich, die Katastrophe als lebensnotwendig für die Landwirtschaft erwies. Ebenso erzählt die Bibel die Geschichte vom Durchzug durchs Schilf meer, in der das Wasser die Feinde tötet und Israel rettet. E ben- dieser Text gehört zu den Lesungen der Osternacht.

Wenigen Katholiken ist bekannt, weshalb man sich beim Betreten und Verlassen einer Kirche mit Weihwasser bekreuzigt. Dieses Zeichen sollte an die Taufe erinnern. Ähnlich wie ich damals durch das Zeichen des Wassers in die Kirche eingetreten bin, so betrete ich auch jetzt im Zeichen des lebendigen Wassers die Kirche. Diese kleine „Tauferneuerung“ wäre es wert, an dieser Stelle ein wenig innezuhalten. Deshalb ist es ein schöner Brauch, einander das Weihwasser zu reichen.

21. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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