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Wer lacht da?

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Die „Staatsoperette” ist aufgeführt worden. Nein, noch nicht in aller Öffentlichkeit, vor den Fernsehern. Auch nicht etwa vor FUR- CHE-Redakteuren und anderen Unpersonen. Sondern vor dem auserlesenen Kreis des ORF-Kurato- riums. Von den dabei gewonnenen Eindrücken haben sich einzelne Kuratoriumsmitglieder bis zum heutigen Tage nicht erholt. Und dies nicht etwa deshalb, weil im Verlauf des kurzweiligen Geschehens ein erzböser und inhumaner Prälat viermal verspricht, „keine Milde” walten zu lassen; nicht, weil ein Fürst sich der Manieren eines Praterzuhälters befleißigt; und nicht, weil ein in seinen Amtsräumen ermordeter Bundeskanzler von einem (in Wien populären und übrigens schauspielerisch sehr begabten) Liliputaner dargestellt wird, sondern - weil die Vertreter der gegenwärtig herrschenden linken Reichshälfte sich bei dieser Vorführung köstlich amüsierten, lachten und am Ende mit Beifall nicht sparten. Davon kann nun auch ich mich nicht erholen.

Denn bisher, und vor allem seit den Tagen gemeinsamen Verfolgtseins, habe ich sozialen Demokraten aufrichtige Sympathien entgegengebracht. Groß war mein Respekt vor der Loyalität eines Viktor Adler, vor den reinen Händen eines Breit- ner, vor dem Patriotismus eines Franz Olah; Respekt hatte ich sogar vor einem so emstzunehmenden, in seiner wilden Rhetorik kaum noch erträglichen Gegner wie Otto Bauer. Doch was nun, da die Crėme der Genossen sich innig erheiterte, als die Figur, die ihren einstigen Genossen Bauer meinte, sich in den Allüren eines leise angetrottelten Hofrats erging? Hängt das alles etwa damit zusammen, daß unser Land seine Eliten im Laufe zweier Generationen aus jeweils entgegengesetzten Gründen teils „abschaffte”, teils vertrieb? Und daß die unterdessen nachgewachsene Führungs- gamitur glaubt, zur Anpassung „nach unten” verpflichtet zu sein? Zur Anpassung an jene Grenzdebilen, die „immer nur Lustiges anschauen”, weil sie halt soviel gerne lachen - ?

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