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Wo der Reichtum zum Problem wird

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Wo viel öl ist, dort ist viel Geld, herrscht Hochkonjunktur, bieten sich eigenartige Bilder von Tradition und Fortschritt — so auch in Abu Dhabi. In der unwirtlichen Halbwüste steht ein palastartiges Flughafengebäude mit Kristallüstern und Lichterbäumen. Langgewandete Männer mit Jagdfalken auf ihren Stulpenhandschuhen besteigen eine Charterjet, um zur Hasenjagd nach Pakistan zu fliegen. Im Duty Free Shop funkeln Golduhren und Juwelen. Über eine Wüstenautobahn und etliche Verkehrskreisel kommt man in das moderne Stadtzentrum.

Noch 1960 war Abu Dhabi ein Fischerdorf, von einer Lehmfestung bewacht. Das Wüstenfort ist heute ein Museum, es steht zwischen mehrstöckigen Büror und Wohnhäusern, Werkstätten und Supermärkten. ‘ Die Neubauten von Abu Dhabi sind am einctruckivb’lt- sten, wenn abends die Straßenlichter aufleuchten. Tagsüber liegt Abu Dhabi unter einem Hitzeschleier, wirkt diese baumlose Stadt wie eine Schöpfung aus der Retorte, eine große Baustelle, eine Art von Goldgräberstadt, in der es mehr Cadillacs als Kamele gibt.

Wie die Nachbaremirate, befindet sich Abu Dhabi in einem schwindelerregenden Übergang vom Mittelalter ins Düsen- und Atomzeitalter, von bitterer Armut zu fabelhaftem Reichtum. Von den sieben Scheichtümern der Föderation verfügt Abu Dhabi in seinem Hinterland und vor der Küste über die ergiebigsten Erdölquellen. Die Außenhandelsüberschüsse sind so hoch, daß Scheich Zayid sagen konnte: „Unser Problem ist nicht, wie man Geld bekommt, sondern wie man es ausgibt.“

Der Vorgänger des jetzigen Herrschers war ein alter Geizkragen; er pflegte die Öleinkünfte in Form von Goldbarren und Papiergeld unter seinem Bett zu verstecken. Seine Familienangehörigen jagten ihn aus dem Land.

Scheich Zayid leitete alsbald eine Entwicklung großen Stils ein: er ließ Straßen, Hafenanlagen, einen Großflugplatz, neue Wohnsiedlungen, Geschäfts- und Verwaltungsbauten errichten, er vergab Aufträge für eine Meerwasserentsälzungs- und eine Gasverflüssigungsanlage und für Riesentanker. In seinen Konjunkturstaat zieht es Bauunternehmer, Autoverkäufer, Gastarbeiter wie Fliegen zum Honig. Geplant oder im Bau sind: ein zweiter Großflughafen, eine Konferenzstadt mit 50 Villen für hochgestellte Persönlichkeiten, eine Sportstadt für 65 Millionen Dollar, neue Krankenhäuser und Schulen, Hotels und ein Zoo, ferner ein petrochemischer Komplex einschließlich einer Raffinerie für den Benzinexport, eine Düngemittelfabrik, eine Aluminiumschmelze, Zementfabriken und ein Stahlwerk.

Abu Dhabi hat, wie andere OPEC- Mitglieder, die ausländischen Erdölgesellschaften nach und nach verstaatlicht, ist aber technisch und administrativ noch nicht soweit, daß es die Förderung und den Absatz seines Erdöls in eigener Regie betreiben könnte.

So blüht denn auch in diesem Scheichtum der Weizen für Strohmänner. Verwandte des Scheichs wurden zu Teilhabern und Großunternehmern. Häuser, Fabriken und Boden können von Fremden nicht käuflich erworben, nur gemietet werden. Tankstellen, Läden, Friseurgeschäfte können nur in Partnerschaft mit Eingeborenen betrieben werden. Während die Gastarbeiter in recht ärmlichen Unterkünften leben, erhalten Einheimische kostenlose Neubauwohnungen. Gratis sind auch der Schulbesuch und der Gesundheitsdienst.

Scheitj. Zayid ist unter seinen Lan- deskindem beliebt, seine Beduinensoldaten scheinen nicht putschanfällig zu sein. In der Gemeinschaft der sieben Emirate ist Abu Dhabi der primuš in- ter pares, es stellt 12 der 20 Minister. Rund 90 Prozent des Föderationshaushalts kommen aus Abu Dhabi. Das reiche Ölemirat investiert ein Drittel seiner Einnahmen im Inland; ein weiteres •Drittel wird für Atislandsdarlehen, der Rest für Auslandsinvestitionen und den Reservefonds verwendet. Die Kapitalhilfe Abu Dahbis an Entwicklungsländer berücksichtigt in erster Linie arabische Länder, dann andere islamische Länder, zu guter Letzt auch weitere Entwicklungsländer in Asien und Afrika.

Das Nachbaremirat Dubai stellt den Ministerpräsidenten der Föderation. Scheich Maktum bin Raschid al Mak- tum ist unter 12 Nummern des Telephonbuches zu erreichen, sogar in seinem Schlafzimmer. Wie jeder pflichtbewußte Scheich, pflegt er zwei- bis dreimal in der Woche öffentliche Sprechstunden äbzuhalten.

ln den Scheichtümern gibt es weder politische Parteien noch Gewerkschaften. Im westlichen Sinne sind die Emirate ebensowenig demokratisch wie die Militärdiktaturen arabischer Länder. Es bleibt die Frage, wo dem Bürger mehr Gerechtigkeit widerfährt - in den patriarchalisch regierten Golfstaaten oder unter den sich revolutionär gebärdenden arabischen Sozialisten.

Die Scheichtümer sind durch gutaus- gebaute Autostraßen miteinander verbunden. Auf den Flughäfen manifestiert sich das Prestigedenken der einzelnen Emiratsherrscher. So hat auch Dubai ein hypermodernes Air-Terminal. ln nur zwölf Kilometer Entfernung befindet sich der Flughafen des Scheichtums Sharjah.

Dubai war vor dem ölboom ein Umschlagplatz für Perlen, Gold und Schmuggelware. Es hat sich nunmehr zum Bankenzentrum des Golfs entwik- kelt. Ein 33stöckiges Handelszentrum mit einer E islaufbahn ist im Entstehen. Ein Tunnel soll demnächst die Stadtteile miteinander verbinden. Deutsche Finnen haben den Hafen von Dubai ausgebaut. Aber noch immer müssen Frachter auf der Reede bis zu hundert Tage warten, immer wieder kommt es zu Warenstauungen, weil die Geschäftsleute von Dubai und Abu Dhabi über den Bedarf hinaus Baumaterial und Konsumgüter bestellt haben.

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