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Schulgeld fur Eltern

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Als Großbritannien 1971 seine letzten kolonialen Positionen „östlich von Suez“, in den Duodezscheich-tümem am Persisch-Arabischen Golf, räumte, gaben nur wenige dem damals unter dem Druck der Ereignisse gegründeten Bundesstaat „Vereinigte Arabische Emirate“ (VAE) eine langfristige Uberlebenschance. Bahrein und Katar, auf deren Einbeziehung man gehofft hatte, gingen ihre eigenen Wege und erklärten ihre Selbständigkeit. Bis heute haben die Bemühungen der sieben VAE-Zwerge, die beiden Riesen für sich zu gewinnen, nicht aufgehört.

Zu groß schienen damals außerdem die Famdlienzwistigkeiten zwischen den Scheichen und zu arm und unterbevölkert ihre Kleinstaaten. Dazu betrieben auch noch von der Sowjetunion insgeheim unterstützt, vom Irak und Südjemen aus, Untergrundorganisationen ihre Wühlarbeit.

Die Wende kam durch das Erdöl. Bis dahin ernährten sich die Menschen im gottverlassenen Hinterland der Arabischen Halbinsel an der früheren Piratenküste, seit die Engländer den Sklavenschmuggel unterdrückt hatten, vom Perlenfang, der Fischerei, der Falkenjagd und zuweilen dem Goldschmuggel auf den indischen Subkontinent und nach Ostafrika. Das „schwarze Gold“ unter dem Wüstensand erwies sich überraschenderweise als hervorragendes Schmiermittel für den Zusammenhalt der Föderation, obwohl keineswegs alle Kleinstaaten gleichmäßig vom ölsegen bedacht waren. Der Scheich von Ras el-Chaima ging sogar völlig leer aus.

Wachsende Einnahmen aus dem Rohölgeschäft erfreuen seit 1963 Abu Dhabi, seit 1969 Dubai und erst seit 1974 Schardscba. Sein plötzlicher Reichtum bescherte vor allem dem Scheich von Abu Dhabi, Said Bin Sultan en-Nachajan, die Wahl zum ersten föderativen Staatsoberhaupt. Dessen Bruder und Vorgänger, Scheich Schachbut, war noch ein mittelalterlicher Despot gewesen, der sich von niemandem in seine absolutistische Herrschaft hineinreden ließ, nie am Zusammenschluß beteiligt hätte und die Einnahmen aus dem Rohölverkauf in alten Konservendosen unter seiner Bettstatt hortete, bis er feststellen mußte, daß sich die Ratten den Löwenanteil einverleibt hatten. 1966 mußte er dem jüngeren und fortschrittlich gesinnten Bruder Said in einem unblutigen Staatstreich weichen und verzehrt die Reste seines zusammengerafften Vermögens in London.

Als VAE-Staatschef erkannte Scheich Said rasch, daß Macht auch Verpflichtungen mit sich bringt und die Föderation bald zerfallen und die Throne ihrer Duodezfürsten gefährdet würden, griffe er nicht tief in die allerdings wohlgefüllte Tasche. Abu Dhabi finanzierte seither den größten Teil des gemeinsamen Staatsbudgets, Armee, Verwaltung, Schul-und Gesundheitswesen sowie die wirtschaftlichen Entwicklungsprojekte für die Zeit nach dem Ende des ölbooms. Ein modernes Straßennetz entstand, Schulen und Krankenhäuser wurden gebaut, und man entwickelte eine großzügige Sozialfürsorge in allen Emiraten. Neue Siedlungshäuser werden kostenlos (!) vergeben, und die Eltern erhalten dafür, daß ihre Sprößlinge beiderlei Geschlechtes den Unterricht besuchen, auch noch Schulgeld. Der 665.OOO-Einwohner-Staat vergibt sogar jährlich knapp drei Milliarden Schweizer Franken Entwicklungshilfe an arabische und afrikanische Staaten, das ist fast ein Drittel der Gesamteinnahmen.

Der wachsende Wohlstand der einheimischen Bevölkerung und der Gastarbeiter aus der ganzen arabischen Welt, Ostafrika und Pakistan grub den „Befreiungsoganisationen“ inzwischen das Wasser ab. Eine schlagkräftige Armee mit einer hochmodernen Luftwaffe sorgt für die äußere Sicherheit. Außerdem liegt den beiden großen Golfanrainern Saudi-Arabien und Persien nichts mehr am Herzen, als daß die VAE sich auch weiterhin ruhig entwickelt und dort keine revolutionären Unruheherde entstehen.

Scheich Said weiß aber genau, daß der Kleinstaat auch künftig nur überleben kann, wenn sich ihm Bahrein und Katar doch noch anschließen. Dafür würde der weitsichtige Fürst sogar auf die Präsidentenrolle verzichten, ohne den „armen Verwandten“ jedoch ihren Anteil an seiner gefüllten Börse vorzuenthalten.

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