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Aden öffnet sich dem „Wohlfahrtssozialismus”

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Im Geschäftsviertel von Aden herrscht zum erstenmal seit zehn Jahren wieder reges Leben. Die schon verrosteten Eisenrolläden vor den Schaufenstern werden frisch gestrichen, neue Firmenschilder künden die Rückkehr vieler nach 1967 in den Nordjemen oder Richtung Djibouti ausgewichener Handelsleute an. Diese Wiederbelebung hängt nicht mit der Wiedereröffnung des Suezkanals zusammen. Von dieser haben in Aden seit 1975 nur die Hafenkneipen und Bazarläden profitiert. Für das Neuerwachen von Handel und Wandel in der alten britischen Kronkolonie, die mit ihrer Unabhängigkeit am 1. Oktober 1967 zur zweiten arabischen Volksrepublik nach Algerien wurde, ist die kürzliche Annäherung an Saudi-Arabien und die Abkehr des Adener Revolutionsrates vom Marxismus-Leninismus samt Hinwendung zum „Wohlfahrtssozialismus” der benachbarten Ölstaaten entscheidend gewesen. Noch 1971 hatte der nach wie vor an der Macht befindliche Staatschef Salem Robi Ali nach dem Sturz des Staatsgründers Schabi seine „Neun Grundsätze” verkündet, in denen vom Widerstand gegen den Neokolonismus, von Reaktion, Zionismus, Imperialismus und Rassismus, von Unterstützung der Revolution in Oman und am Golf, von Freiheit für die Palästinenser und von einem allgemeinen Kemwaffenverbot die Rede war und die Zusammenarbeit mit dem „sozialistischen Lager” unterstrichen wurde. In diesem Jahr haben die radikalen, von DDR-Funktionären geschulten Kader der volksjemenitischen Einheitspartei NLF jedoch tatenlos Zusehen müssen, wie ihr Führer Robi Ali den Partisanenkrieg gegen Oman einstellte.

Und nicht einmal Fidel Castro konnte als Emissär Moskaus’Volksjemen davon abhalten, ins Lager der gegen Äthiopien antretenden pro-westlichen Rotmeer-Staaten überzuschwenken.

Der recht glückliche Versuch Saudi-Arabiens und Kuwaits, „sozialistische Errungenschaften” unter Auslassung des langwierigen Weges von Revolution und Klassenkampf aus dem

Boden zu stampfen, setzt auf der einen Seite ein Minimum veränderungsbedürftiger Gesellschaftsstrukturen, auf der anderen immense Mittel und eine zentrale Regierungsautorität voraus, die im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus der Wohlfahrt des Volkes zu dienen bereit ist.

In Saudi-Arabien, Kuwait und in den Golfstaaten hat sich dieses System bei gleichbleibendem Regierungssystem bewährt. So blieb also Volksjemen auf der Arabischen Halbinsel als einziger Außenseiter übrig.

Was die Mittel für die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung Volksjemens betrifft, so hat König Chaled seine Schatulle mit den Petrodollars schon weit geöffnet. Die Seefestung Aden am Ausgang des Roten Meeres ist dem Westen zurückgewonnen, oder richtig: zurückgekauft worden.

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