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Zustande schamlos verheimlicht

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Unter den Katholiken der Slowakei kursiert zur Zeit ein „Offener Brief“, in dem schwere Beschuldigungen gegen die vom Regime unterstützte Priesterbewegung „Pacem in terris“ erhoben werden. Tenor der Beschuldigungen ist, daß die Nachfolgeorganisation der ehemaligen „Friedenspriesterbewegung“ die Interessen der Kirche und der Gläubigen verrate, daß sie andersdenkende Geistliche bei den Behörden denunziere und daß sie sich allgemein zum Handlanger einer Kirchenpolitik mache, die auf eine Liquidierung der Kirche abziele. Der „Offene Brief“ wurde allen Ordinariaten und sonstigen kirchlichen Institutionen ebenso wie verschiedenen staatlichen Stellen zugeleitet.

Der „Offene Brief“ knüpft an die Ergebnisse im Plenum der Priesterbewegung „Pacem in terris“ an, das in Olmütz getagt und vor dem der Stellvertretende Vorsitzende des Zentralausschusses der Nationalen Front der CSSR, Prof. Dr. Tomas Travnicek, gesprochen und dabei wörtlich erklärt hatte: „Alles muß im Marxismus-Leninismus vollendet werden. Die Religion muß liquidiert werden. Gott wird es nicht mehr geben“. Das versammelte Plenum von „Pacem in terris“ habe diese Rede widerspruchslos hingenommen, mehr noch, es habe applaudiert. In der — in die Hände von „Pacem in terris“-Priestern übergegangenen — Kirchenzeitung „Katolicke noviny“ sei sogar der vollständige Text dieser „erschütternden Rede“ kommentarlos wiedergegeben worden. „Ihr seid zur Tribüne geworden, auf der Atheisten öffentlich verkünden, daß sie Gott liquidieren wollen“, heißt es im „Offenen Brief“. Sodann wird unterstrichen, daß von „Pacem in terris“ ja niemand eine politische Opposition verlange. Die Kirche begebe sich heute nicht mehr auf diese Ebene. „Doch“, so heißt es wörtlich, „warum bleibt ihr nicht beim Glauben? Warum sprecht ihr nicht vom Glauben? Warum verteidigt ihr ihn nicht? Ihr tut so, als würdet ihr das Unrecht nicht sehen.“ „Pacem in terris“ habe für seine Mitglieder verschiedene Privilegien in Anspruch genommen, aber gleichzeitig kein Wort des Protestes dagegen gesagt, daß die Erteilung des Religionsunterrichtes kaum noch möglich sei. „Was habt ihr in 25 Jahren über die religiöse Erziehung der Kinder geschrieben?“ Die Studenten würden wegen ihres Glaubens schikaniert, doch „Pacem in terris“ habe sie in keiner Weise ermutigt. „Die Angestellten haben Angst, in die Kirche zu gehen. Die Sterbenden in den Spitälern können nicht mit Gott versöhnt werden. Die Gläubigen stöhnen und weinen, doch ,Pacem in terris' tut so, als sehe es nichts.“ Es sei bemüht, „zu Hause und vor dem Ausland die Zustände schamlos zu verheimlichen“.

Wenn im Ausland wahrheitsgemäß auf das Los der Kirche in der CSSR hingewiesen werde, heißt es weiter, dann verurteile „Pacem in terris“ jene, die dies täten. „ ,Pacem in terris' gibt gleich auf Befehl ein Dementi.“ Die Organisation decke auf diese Weise vor dem Ausland „die Ungerechtigkeiten, die an den Gläubigen verübt werden. Dadurch ermöglicht sie, daß die Freiheit, die Gesetze und die Vereinbarungen von Helsinki gebrochen werden“. Statt das Evangelium zu verkünden und den Glauben zu verteidigen, setze „Pacem in terris“ Resolutionen in die Welt, in denen es heiße: „Wir haben alles, Kühlschränke, Landhäuser, Autos. Alles ist in bester Ordnung“. Die Weltöffentlichkeit werde vielleicht durch solche Erklärungen verwirrt, doch im Lande selbst wisse das „ganze Volk, von den Studenten bis zu den Großmütern und Großvätern“, was es von „Pacem in terris“ zu halten habe.

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