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Zwei-Buchmger

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Nach neunjähriger Tätigkeit als Landesobmann der niederösterreichischen Jung-ÖVP wurde der 34jährige Landtagsabgeordnete Kurt Buchinger am ersten Maisonntag vom Landestag der Organisation abgewählt. „Wachablöse” überschrieben die „jungen Schwarzen” zwar den Tag, doch dämmert es jetzt bereits den Beteiligten, daß es sich um eine vorgetäuschte Wachablöse gehandelt hat. Nicht der neue Mann, der 31jährige Erich Fidesser,

hat das Ruder übernommen, sondern Kurt Buchinger zieht weiter seine Fäden.

Die Entscheidung über den zukünftigen Stil der niederösterreichischen Jung-ÖVP fiel nämlich nicht bei den 400 Delegierten am Landestag, sondern bei einer vorher einberufenen Bezirksobmännertagung; dort war zwar nicht mehr zu verhindern, daß Fidesser neuer Landesobmann werden wird, jedoch wollte sich die Familie Buchinger auf anderem Weg ihren Einfluß sichern. Walter Buchinger, der 31jährige Bruder des scheidenden Landesobmannes, kandidierte als Landesobmannstellvertreter und fiel prompt mit 29 :26 Stimmen durch. Mit taktischem Geschick gelang es aber dann, den Durchgefallenen wieder aufs Schild zu heben: obwohl eigentlich das Industrieviertel — ausgesprochenes Hoffnungsgebiet der Gesamtvolkspartei — Anspruch auf den zur Diskussion stehenden Landesobmannstellvertreter gehabt hätte, erkannte man der Gliederung „Niederöster- reioher in Wien” einen zweiten Mann zu. Und dieser hieß Walter Buchinger, obwohl er nicht der Gliederung angehört, sondern der Kandidat für das Weinviertel war. Der „Aufstieg” des jüngeren Buchinger erinnert sehr stark an den Aufstieg seines Bruders: auch Kurt Buchinger wurde als Weinviertier plötzlich zum Waldviertler Mandatar. Maßgeblich zu seinem politischen Aufstieg — er ist Beamter des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen — hat seine ehemalige Funktion als Landesobmann der niederösterreichischen Jung-ÖVP beigetragen. Er erkannte bald, wie wichtig eine starke „Hausmacht” ist und traf Vorsorgen: so wurde Walter Buchinger Kurts Landessekretär. Als dieser im November 1970 — Kurt Buchingers Rücktritt stand zu dieser Zeit schon fest — in die niederösterreichische Landarbeiterkammer übersiedelte und bei der ÖJB kündigte, bekam er durch seinen „Bruderchef” als Trostpflaster eine 15.000-Schilling-Abfertigung.

Kurt Buchinger achtete aber auch auf sich selbst: so kaufte das „Europäische Jugendwerk. Landesgruppe Niederösterreich” von der jungen ÖVP Niederösterreichs am 5. Mai 1970 den Dienstwagen Buchingers um 40.000 Schilling. Am 29. Mai 1970 — kaum drei Wochen später — kaufte das „Europäische Jugendwerk”, nachdem schon am 23. April 1970 eine 20.000-Schilling-Subvention der niederösterreichischen Landesregierung eingegangen war, einen nagelneuen, dunkelgrünen Wagen der Marke Ford Taunus 17 M, der heute mit den Wechselkennzeichen N 20 und N 8.008 vornehmlich über Niederösterreichs Straßen braust. Verkäufer, Käufer und Neuwagenkäufer waren eine Person: Kurt Buchinger. Er war damals sowohl Obmann der jungen ÖVP als auch des „Europäischen Jugendwerkes”. Allerdings sind die Besitz- und Eigentumsverhältnisse des Wagens damit noch nicht geklärt: In einer Aktennotiz des „Europäischen Jugendwerkes”, die die Unterschrift Buchingers trägt, wird zwar fest- gestellt, daß der Wagen wohl „aus Mitteln des Europäischen Jugendwerkes angekauft und auch Eigentum dieser Organisation ist”, tfotz- denv abe fur sehr wenig der Organisation, dafür aber um so mehr mit Kurt Buchinger zu tun hat: „Die Rechnungsbelege wurden auf Abgeordneten Kurt Buchinger ausgestellt, und zwar ausschließlich aus steuerlichen Gründen des Betreffenden. Dasselbe gilt für die Versiehe- rungs- und sonstigen Autopapiere”, bestätigt sich Kurt Buchinger als Obmann des „Europäischen Jugendwerkes”, bis 1972 noch im Amt.

Als Obmann der jungen ÖVP Niederösterreichs wiederum ließ er diese Organisation für Instandhaltung, Benzinkosten und Versicherung des Wagens aufkommen. Kein Wunder also, daß unter solchen Umständen das „Europäische Jugendwerk” — trotz Subventionen — keine Aktivität entwickeln konnte, waren doch die Kassen leer.

Aber nicht nur im „Europäischen Jugendwerk” hat Kürt Buchinger seine Hand — auch heute noch — im Spiel, er ist zudem noch Geschäftsführer des „Niederösterreichischen Jugendwerkes” und federführend im „Verein zur Förderung des Skisports in Niederösterreich”, im „Verein zur Förderung der Volkskunst” und im „Verein junges Niederösterreich”.

Trotz dieser Ämter und Würden ließ es sich der Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag Kurt Buchinger nicht nehmen, daß die von ihm gespendeten Pokale und Preise — etwa für Sportveranstaltungen — aus der Kassa der ÖVP-Jugend bezahlt wurden. Ähnlich wurden auch Ballspenden des Abgeordneten erledigt.

Aus Buchingers Umgebung verlautet nunmehr, daß er nach dem Abschied bei der Jugend nach Höherem strebt. Sollte Dr. Prader Bundesobmann des ÖAAB werden, will er diesem als Niederösterreiohs Lan- desöbmann nachfolgan — denn schon heute ist Buchinger Praders Stellvertreter. Sollte er den Sessel, auf dam einst Viktor Müllner saß, jedoch nicht ergattern, rechnet er sich auch Chancen auf den Posten des niederösterreichischen Landesparteisekretärs aus. Denn der heutige Landesparteisekretär Dr. Bernau ist als Generalsekretär für die Kämtnerstraße im Gespräch.

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