Die Tour de force des roten Robin Hood

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Bisher reichten ihm kreative Tabubrüche. Doch diesmal wagte er ein Sakrileg: Bezieher von Pensionen jenseits von 2500 Euro brutto im Monat sollten doch bitte zehn Prozent vom darüber liegenden Betrag als Solidarabgabe abliefern, forderte der SPÖ-Koalitionsverhandler Erwin Buchinger vergangene Woche - und holte sich prompt Rüffel aus der eigenen Partei: "Es muss Schluss sein mit der ständigen Verunsicherung der Pensionisten", donnerte Pensionistenverbands-Präsident Karl Blecha - und blieb damit in der Empörungsskala kaum hinter Beamtenchef Fritz Neugebauer zurück. "Klassenkämpferische Töne" hatte dieser dem Salzburger Soziallandesrat vorgeworfen.

Es ist nicht der erste Aufreger, den der Mann mit dem Robin-Hood-Habitus seit den Wahlen liefert - aber der erste, mit dem er auch zielsicher den Nerv seiner Genossen trifft. Sein Plan einer Anhebung der Vermögenssteuer auf EU-Niveau war von der Parteispitze vergleichsweise ruhig zurückgepfiffen worden. Und mit der Idee einer bedarfsorientierten Grundsicherung hatte er sogar Wirtschaftsminister Martin Bartenstein - fast - überzeugt. Nur Wolfgang Schüssel und Liese Prokop blieben hart. Eine "urkommunistische Forderung" sei diese Grundsicherung, ereiferte sich die Innenministerin - und bekam vom bekennenden Katholiken Buchinger postwendend Nachhilfeunterricht: Die Grundsicherung sei eher eine "urchristliche Forderung", erklärte er. Und wenn nun schon Bischöfe (wie Ludwig Schwarz) als "Kommunisten" gelten würden - dann sei es für die VP "vielleicht wirklich einmal an der Zeit, umzudenken".

Dass Sager wie diese oder ein vorzeitiger Jubel über eine "Einigung" zum Thema Grundsicherung das koalitionäre Verhandlungsklima nicht wirklich bessern, stört den parteipolitischen Einzelgänger einstweilen kaum. Um Armut zu minimieren, sei er eben "gern unbequem".

Von einer Mainstream-Karriere hat der Politiker, der 1955 in Mauthausen geboren wurde, ohnehin nie viel gehalten. Zu bunt ging es schon in der Familie zu: Der Vater Bezirksparteisekretär der SPÖ in Rohrbach, die Mutter Religionslehrerin. Bei diesem weltanschaulichen Unterfutter lag bei den sieben Kindern das Rebellentum nicht weit. Tatsächlich machte die "Buchinger-Bande" bald von sich reden: Schwester Elisabeth landete in der Frauenabteilung der AK, Bruder Christian wurde Betriebsratschef in einem Metallbetrieb, Bruder Reinhard Organisationssekretär der Sozialistischen Jugend und Bruder Herbert gar Vorstandsvorsitzender des AMS Österreich - also Chef des um ein Jahr älteren Erwin, der 1991 zum Leiter des Arbeitsamtes Salzburg aufstieg. Bis 1994, als ihn Gabi Burgstaller zu ihrem "Mr. Arbeit" machte. Ein Job, den Buchinger mit Verve erledigte - auch, wenn es um Geschichtsaufarbeitung ging: Mitte Oktober kritisierte Buchinger etwa als einer der ersten Politiker, dass der SS-Offizier und Naturforscher Eduard Paul Tratz noch heute im Salzburger Naturkundemuseum kommentarlos verehrt wird.

Wird so einer nun Sozialminister? Buchinger wäre zumindest punkto Styling eine Novität - mit langen Haaren, Abscheu gegen Krawatten und Faible für Motorräder, Sex in the City, Die Simpsons und Herr der Ringe. Klassisch ist er nur, was sein Lebensmotto betrifft. Hier hält er es mit Kant: "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg' auch keinem andern zu."DH

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