Am 3. Juli dieses Jahres jährte sich die erste Ausfahrt des ersten Daimler-Wagens zum 75. Male. Es war der Beginn der industriellen Fertigung des Benzinautomobils, die freilich erst nach Überwindung einer vorläufigen Abneigung gegen diese neue Möglichkeit, sich ohne Pferde auf der Straße fortzubewegen, vor allem in Deutschland richtig einsetzen konnte. In Frankreich setzte sich das neue Fahrzeug rasch und vollends durch, und diesem aufgeschlossenen Land, das damals bereits über vierzig Fabriken für Straßendampfwagen voll beschäftigte, ist der Siegeszug der Motorisierung vor allen anderen zu danken.
Bereits mehr als zwanzig Jahre vor Daimler, nämlich 1865, hatte Siegfried Marcus in Wien mit einem benzinbetriebenen Motor, der damals allerdings noch kein Viertakter war, seine ersten Versuche auf der Schmelz unternommen. Etwa zehn Jahre darnach fuhr er bereits mit einem benzinbetriebenen Wagen durch die Straßen Wiens, dessen schnellaufender Viertaktmotor als der Urahne aller nachfolgenden Automobilmotoren bezeichnet werden kann. Er wies bereits alle wichtigen Merkmale auf, die der typische Viertakter heute noch besitzt. Besonders weit voraus war seine elektromagnetische Abreißzündung, auf die erst wieder knapp vor der Jahrhundertwende zurückgegriffen wurde, nachdem sich die anderen Zündsysteme auf di? Dauer nicht bewährt hatten. Maschinell lief der Marcus-Wagen klaglos. Wünschenswert wären jedoch Verbesserungen des Fahrgestells gewesen, was sich vor allem bei späterer Verwendung eines stärkeren Motors zeigte. Dazu kam es damals noch nicht. Marcus war vor allem fanatischer Erfinder, und an einer handelsmäßigen und industriellen Auswertung seiner über hundert patentierten Erfindungen im Grunde wenig interessiert.
Daß Marcus Jedoch mit seinem verläßlich funktionierenden Wagen zahlreiche Ausfahrten unternommen hat, beweist das Fahrverbot, das die Wiener Polizei schließlich wegen zu großer Lärmentwicklung über ihn verhängte.
Anläßlich des „größten Patentprozesses aller Zeiten”, der um die Jahrhundertwende in Amerika entsprechendes Aufsehen erregte, wurden die Originaldokumente, die die geniale Leistung Marcus’ zehn Jahre vor Daimler -beweisen solltet, hach Amerika gesandt, von wo sie nieht mehr nach Europa zurückgelangten, obwohl der Urheber dieses Prozesses, Georg B. Seiden, schließlich sein ungerechtfertigterweise angestrebtes Patent auf das „Automobil” nicht erlangte.
Daimler begann im gleichen Jahre, als der zweite Marcus-Wagen in Wien mit Erfolg betrieben worden war, nämlich im Jahre 1875, mit den Versuchen, die in Deutz in Erpobung befindlichen Viertaktmotoren von Otto und Langen mit Benzin zu betreiben. Professor Reuleaux hatte Langen bereits im Jahre 1867 davon berichtet, daß Marcus in Wien erstmals mit Hilfe von Benzin billiges Gas herstelle. Fünf Jahre später schieden Daimler und sein Freund May-
