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Altes neues Gebet

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Dionysius ist der einzige Fall in der Theologie - ja in der gesamten Geistesgeschichte, daß ein Mann von allererstem Rang und unabsehbarer Wirkung, seine Identität verbergen konnte Diese Worte Hans Urs von Balthasars erhellen die Bedeutung des Dionysius, um den es jahrhundertelang kontroverse Diskussionen gab. War er der von Paulus bei seiner Missionspredigt in Athen bekehrte „Areopagit”, das heißt Mitglied des Athener Rats, war er der Missionsbischof und spätere Bischof von Paris, der zur Zeit des Kaisers Decius im 3. Jahrhundert während einer Christenverfolgung als Märtyrer hingerichtet wurde? Oder war er jener syrische Mönch aus dem 5./6. Jahrhundert, der sich den Namen des von Paulus bekehrten „Areopagi-ten” zulegte, um seinen Schriften als Apostelschüler mehr Bedeutung zu verleihen? Erst gegen Ende des Jahrhunderts gelang der Nachweis, daß (Iii-Schriften des Dionysius frühestens Ende des 5. Jahrhunderts entstanden sein können. Seit dieser Zeit ist Dionysius aus der christlichen Mystik nicht mehr wegzudenken.

In seinem Buch erschließt Peter Dyckhoff, geistlicher Leiter des Hauses Cassian in Deutschland (Diözese Hildesheim), dem Leser die Gedanken- und Gebetswelt des Dionysius Areopagita. Mystik im Sinne des Dionysius, so zeigt der Psychologe und Priester, ist keine Weltflucht. Der Betende übt vielmehr bewußt das In-Sich-Buhen und das Aus-Sich-Her-ausgehen ein, um seine und damit gleichzeitig die in Gott ruhende Mitte zu finden. Die Gebetslehre des Dionysius führt gleichermaßen zü Gott und zum wahren Menschsein.

Dionysius will in seinen Schriften Ewiges, Göttliches vermitteln, dort sprechen, wo Sprache endet, dort schauen, wo nichts mehr zu sehen ist. Er ist nicht interessiert an der Dimension des Vergänglichen. „Hier im Bereich der Mystik stillt am offensichtlichsten dionysische Weisheit den Hunger unserer Tage”, schreibt der Benediktiner David Steindl-Bast im Vorwort. Peter Dyckhoffs Buch ist empfehlenswert, weil es dem modernen Menschen eine alte christliche Perspektive zum Leben in der „neuen Unübersichtlichkeit” aufschließt.

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