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Keine Beweise für Völkermord, Zahl der Toten bleibt unklar

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Ende Dezember 1995 hat der Brünner Polizeikapitän Zdenek Krejci, Mitarbeiter eines offiziellen Untersuchungsausschusses des dortigen Bezirksamtes, seine Tätigkeit abgeschlossen, die „wilde" Aussiedlung von mehr als 19.000 Deutschen aus Brünn und Umgebung im Mai und Juni 1945 historisch aufzuarbeiten.

Krejci hat keine Anklage wegen Völkermordes erhoben. Der Polizeikapitän hat für seine Aufgabe verschiedene Archive, Zeitungsartikel und andere Quellen herangezogen. Die Aussiedlung von Deutschen Ende Mai 1945 initiierte eine Gruppe von Arbeitern der Brünner Waffenfabrik Zbrojovka. Diese Gruppe hatte damals die Polizeidirektion in Brünn aufgesucht und gedroht, daß die Arbeiter selbst die deutsche Problematik lösen würden. Der Landes-National-ausschuß gab dann den Erlaß heraus, daß bestimmte Kategorien von Deutschen - vor allem alte Leute, Frauen und Kinder - aus Brünn entfernt werden sollten. Als Begründung diente das Argument, daß die Spannung zwischen Deutschen und Tschechen zu Blutvergießen führen könnte.

Während des Marsches aus Brünn wurden nur ein Mann in Selbstverteidigung und eine Frau unglücklicherweise erschossen. Die begleitenden Arbeiter haben die ausgetriebenen Deutschen mit Gummiknüppeln geschlagen - aber nirgends gibt es Informationen, die bestätigen, daß.Erschlagene und Verletzte auf der Strecke liegengeblieben sind.

Aus den Dokumenten von Kapitän Krejci geht hervor, daß im provisorischen Lager in Pohofelice/Kreis Bfeclav in der Zeit zwischen 4. Juni und 4. Juli 1945 insgesamt 457 Menschen gestorben sind. Die Gründe waren physische Erschöpfung und Buhr. Sieben Menschen haben auch Selbstmord begangen. Die Anzahl von 1.700 Toten, die die sudetendeutsche Presse behauptet, wurde nicht bestätigt, sagte der Polizeiermittler Krejci.

Grund für die jetzt abgeschlossene Untersuchung der Frage der Aussiedlung der Deutschen aus der damaligen Tschechoslowakei war eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Verdachts auf Völkermord, die vergangenes Jahr der Schriftsteller und ehemalige antikommunistische Dissident Ludvik Vaculik gemeinsam mit anderen an die Oberste Staatsanwaltschaft in Prag gerichtet hatte.

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