Pfarrer Wolfgang Pucher (1939-2023) war das personifizierte Not sehen und handeln - Die soziale Lufthoheit verteidigte Pfarrer Wolfgang Pucher wortgewaltig und erfolgreich auch an den Stammtischen. - © APA / Helmut Fohringer

Straßenschild-Heiliger Wolfgang Pucher

19451960198020002020

Mit der Grazer Sozialikone Wolfgang Pucher darf dessen Vermächtnis, gerade bei hässlicher Armut nicht die Augen zu verschließen, keineswegs zu Grabe getragen werden.

19451960198020002020

Mit der Grazer Sozialikone Wolfgang Pucher darf dessen Vermächtnis, gerade bei hässlicher Armut nicht die Augen zu verschließen, keineswegs zu Grabe getragen werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie im Leben so im Sterben. Noch auf seinem letzten Weg setzt Pfarrer Wolfgang Pucher ein Zeichen der Menschlichkeit, nimmt ein Relikt der Diskriminierung mit ins Grab. Ende der 1970er-Jahre machte Pucher die Grazer Stadtpolitik aufmerksam, dass die 800 Bewohner einer slumähnlichen „Delogiertensiedlung“ in der Heßgasse schon allein aufgrund dieser Adresse stigmatisiert und vom sozialen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen waren. Der Pfarrer verlangte, diesen Straßennamen zu löschen, die Häuser den angrenzenden Gassen zuzuordnen und es den Bewohnern damit leichter zu machen, aus ihrem Getto zu kommen. Pucher setzte sich, wie so oft in seinem weiteren Leben, mit diesem Integrationsanliegen durch. „Das entfernte Straßenschild dieser Siedlung habe ich erhalten und ich habe testamentarisch festgelegt, dass dieses Schild, wenn ich diese Welt verlasse, in meinem Sarg auf meinen Körper gelegt wird“, verfügte der vorige Woche mit 84 Jahren verstorbene Gründer der VinziWerke in seinem letzten Willen.

Sozial am Bosporus

Dass Wolfgang Pucher bereits zu seinen Lebzeiten eine Grazer Priester-, Sozial- und Menschenrechts-Legende mit nationaler Signalwirkung und Sozialeinrichtungen weit über die Steiermark hinaus geworden ist, war nicht ausgemacht. Hätten ihn die Lazaristen, die Weltpriestergemeinschaft, der Pucher angehörte, nicht 1973 aus dem österreichischen St. Georgskolleg in Istanbul heim nach Graz beordert, wäre er wahrscheinlich eine Sozialikone am Bosporus geworden. Vier Jahre lang leitete Pucher das zum Kolleg gehörende Buben-Internat, war Seelsorger der österreichischen Gemeinde. Die Not der Straßenkinder Istanbuls blieb ihm nicht verborgen und ließ ihn – wie könnte es bei Pucher anders sein? – nicht kalt. Er nahm mit der Caritas in Österreich Kontakt auf, begann „für diese Allerärmsten eine Hilfe zu organisieren – durch meine Rückversetzung nach Österreich kam es nicht mehr dazu“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung