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WALTER TOMAN / DER MENSCH UND SEINE UMWELT

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Ein Psychologe, der durch intensive Beschäftigung mit den Faktoren, von denen die Motivationen der menschlichen Psyche mitbestimmt werden, auch Soziologe ist, ist im Studienjahr 1966/67 Direktor des Instituts für höhere Studien und wissenschaftliche Forschung in Wien:

Univ.-Prof. Dr. Walter Toman, Professor an der Brandeis University, zuletzt auch an der Universität Erlangen, einer von den Gelehrten, die Österreich an das Ausland verloren hatte, wird für vorläufig ein Jahr wieder in seiner Heimatstadt Wien als Forscher und Lehrer wirken.

Die ersten Lebensstationen Walter Tomans waren für einen Angehörigen des Jahrganges 1920 nicht außergewöhnlich: Mittelschule, Matura, Beginn des Studiums (Psychologie), Krieg. Eine an der Front erlittene Verwundung war die Ursache, daß Toman noch im Krieg sein Studium vollenden konnte; 1944 promovierte er in Wien zum Dr. phil. Nach Kriegsende, im freien Österreich, begann seine Wissenschaftliche Karriere. Er wurde Assistent bei Prof. Rohracher und besuchte im Studienjahr 1947/48 als „visiting scholar" die USA, damals wie heute das Mekka aller jungen Wissenschaftler. Unmittelbar nach dem Kriege setzte auch Tomans literarische Karriere ein, die allerdings immer hinter der wissenschaftlichen zurückstehen mußte. Dennoch umfaßt das literarische Oeuvre Tomans zahlreiche Erzählungen surrealistischer Richtung (zuletzt erschien 1959 eine Sammlung von Erzählungen in englischer Sprache). 1951 erfolgte die Habilitation, und kurz darauf wurde Toman nach Harvard als „Lecturer“ geholt, wo er am „Department of Social Relations" arbeitete. 1954 wurde er Professor an der Brandeis University (Boston), von wo er nach Erlangen berufen wurde.

Dem Institut für höhere Studien und wissenschaftliche Forschung ist Prof. Toman seit dessen Gründung verbünden. Gemeinsam mit den Professoren Morgenstern und Lazarsfeld gehört er dem wissenschaftlichen Beirat des Institutes an. Im laufenden Studienjahr will sich Professor Toman auch der endgültigen Auswertung eines Projekts der „Deutschen Forschungsgemeinschaft" widmen, das sich mit den Umweltmerkmalen städtischer Familien beschäftigt. Diesem Grenzbereich zur Soziologie hat schon immer die Aufmerksamkeit des Psychologen Toman gegolten: die Motivations- und Persönlich keitsforschung kann an den verschiedenen sozialen Milieumerkmalen (Größe der Familie, Personenverluste, Wohnbedingungen usw.) nicht Vorbeigehen. Das sind auch die Forschungsgebiete, mit denen sich seine wichtigsten Werke („Dynamik der Motive“, „Psychoanalytic Theory of Motivation“, „Familienkonstellationen“) auseinandersetzen. Durch die Bedeutung, die von der modernen Psychologie den objektiven, sozialen Merkmalen der Umwelt eines Menschen beigemessen wird, ist den modernen Sozialwissenschaften ein neuer Zugang erschlossen. Und die Betreuung sowie der Ausbau der in Österreich eher stiefmütterlich behandelten Sozialwissenschaften (das gilt weniger für die Ökonomie als für die Soziologie und die Politologie) hat sich das Institut für höhere Studien zum Ziel gesetzt. „Gegenstand unserer Forschungen im großen ist das gesellschaftliche Geschehen, an dem wir alle mitwirken und von dem wir abhängen" — so definiert Prof. Toman die Aufgaben der modernen Sozialwissenschaften.

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