AUFTRITT der Doppelgänger

Werbung
Werbung
Werbung

Doppelgänger - nicht nur in den irakischen Regierungspalästen, sondern auch im österreichischen Wahlkampf. Diesen Eindruck hinterließen wenigstens die zwei letztwöchigen TV-Duelle der Spitzenkandidaten. "Das ist doch gar nicht der Herbert Haupt, den ich kennen gelernt habe", misstraute Wolfgang Schüssel seinem Gegenüber. Doch alle Versuche des Kanzlers, seinen ansonsten "warmherzigen" Sozialminister "herauszulocken, damit er sich von Haider abgrenzt", scheiterten. Haupt blieb dabei, "alles nachzubeten", was ihm sein einfaches Parteimitglied in diversen Magazinen vorgekaut hatte. Unter anderem den absurden Vorwurf, die schwarze Regierungshälfte habe die Neuwahlen verursacht.

Darüber konnte sich Schüssel so richtig entrüsten. Eine geplante Entrüstung. Genauso wie das Entsetzen des Kanzlers über Haupts "derzeitiges Nein" zur Osterweiterung. Denn obwohl die Aufregung gut gespielt war, eines steht fest: Schüssel - er selbst hatte die EU zum Schluss der Diskussion aufs Tapet gebracht - konnte damit rechnen, dass sein Koalitionspartner bei diesem Thema die Gefolgschaft verweigern würde. Das tat dieser auch, bis Haupts Doppelgänger merkte, dass er damit als Einzelgänger dastand. Genuschelte, gestotterte Abschwächungen der Veto-Drohung folgten, konnten aber nichts mehr daran ändern, dass Schüssel seinen Koalitionspartner einmal mehr - vielleicht das letzte Mal - über den Tisch gezogen hat.

Solche Grobheiten waren dem zweiten Duell der letzten Woche völlig fremd. Alexander Van der Bellen versuchte zwar kräftig anzubandeln, doch Alfred Gusenbauer wollte von "Wenn, wenn, wenn - und die Erde ist eine Scheibe"-Spekulationen nichts wissen. Daraufhin fürchtete Van der Bellen kurz, auch er habe es mit einem Doppelgänger zu tun: "Ich kann nicht glauben, dass Sie das anders sehen, Herr Gusenbauer!" Dass war es dann aber schon, was dieses Zusammentreffen an Dramatik zu bieten hatte. Dafür konnten die Zuseher live miterleben, wie es bei ansonsten streng geheimen Koalitionsverhandlungen zugeht: interessant, aber nur bedingt für eine Fernsehübertragung geeignet. WM

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung