Dem Grauen nicht gerecht geworden

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Das eben begonnene Jahr bringt auch das 100-Jahr-Gedenken des ersten Völkermordes im 20. Jahrhundert: 1915 begann der Genozid der Osmanen, später der Türken, an den Armeniern. Hierzulande sind die tatsächlichen Geschehnisse jener Tage wenig präsent. Der millionenfache Massenmord ist bis heute ein Politikum, zumal er in und von der Türkei immer noch geleugnet wird.

Von daher klingt es verdienstvoll, wenn der deutschtürkische Regisseur Fatih Akin nach "Gegen die Wand" (2004) und "Auf der anderen Seite"(2007) die Trilogie "Liebe, Tod und Teufel" mit "The Cut" beschließt, seinem Epos über das armenische Schicksal ab 1915. Zusätzlich erhebt Akin den Anspruch, das schwierige Thema "massentauglich" aufzubereiten. Ganz offensichtlich hat der Regisseur dabei auch die türkische Community in Europa im Blick. Die Intentionen in allen Ehren, aber bei "The Cut" erweist sich einmal mehr, dass gut gemeint längst nicht gut sein muss.

ein aufwändiges Leinwandepos

Das gilt gleich in mehrfacher Hinsicht: zum einen ist die "historische" Darstellung im Film nicht falsch, aber man muss doch ein historisch Interessierter sein, um die geschichtlichen Mosaiksteine, die Fatih aneinanderreiht, wirklich einordnen zu können. Mancher Hinweis dabei ist ohne Hintergrundwissen schlicht nicht zu verstehen: Dass etwa das Deutsche Reich, im Ersten Weltkrieg Alliierter der Osmanen, an der armenischen Tragödie beteiligt war, erschließt sich im Film wenig. Deutschland finanzierte die Berlin-Bagdad-Bahn, die armenische Zwangsarbeiter mitten im Krieg errichteten, die dann von den türkischen Schergen deportiert und massakriert wurden. In "The Cut" schuftet Nazaret Manoogian, der Protagonist des Films, beim Bahnbau -die politisch-ökonomischen Hintergründe thematisiert Akin aber nicht. Das mag nur ein Beispiel fürs durchgängige Scheitern sein, den Gräueltaten und dem Grauen des Genozids filmisch gerecht zuwerden. Abgesehen von inkonsistenter Dramaturgie ist das der wesentlichste Einwand gegen die Familiensaga vom armenischen Dorfschmied Nazaret aus der Stadt Mardin, der wie zahllose Armenier dahingemetzelt werden soll - aber er überlebt mit einer Halswunde, ob der er stumm wird. Nazaret schlägt sich durchs zerfallende Osmanische Reich und danach -auf der Suche nach seinen Töchtern -bis nach Kuba und in die USA durch.

Tahar Rahim spielt in dem aufwändigen Leinwandepos den Helden, er legt die Rolle glaubwürdig an. Aber auch er bleibt in der Regie gefangen, die Empathie mit den geschundenen Armeniern nicht wirklich aufkommen lässt. Nach "The Cut" sind weitere Versuche vonnöten, die armenische Tragödie cineastisch aufzuarbeiten

The Cut D/F/PL/TK/I/CDN/RUS 2014 Regie: Fatih Akin. Mit Tahar Rahim, Simon Abkarian, Hindi Zahra, Makram Khoury. Filmladen. 138 Min.

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