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Integration vertiefen

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Für den ehemaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, 70, muß Europa die Herausforderungen der Globalisierung mit einer vertieften Integration beantworten. Ein wesentlicher Bestandteil dieser verstärkten Zusammenarbeit ist die Einführung des Euro. „Kein Binnenmarkt der Welt kann sich auf Dauer den Luxus von 14 Währungen leisten. Stellen Sie sich vor, die Besatzungsmächte der Trizo-ne hätten in den 40iger Jahren beschlossen, daß jede Zone ihre eigene Währung haben soll: also einen deutschen Franken, einen deutschen Dollar oder ein , deutsches Pfund. Glauben Sie, daß wir dann auch den Begriff Wirtschaftswunder kennen würden?” Für Genscher lassen sich die Früchte des seit 1992 bestehenden europäischen Binnenmarktes erst durch die gemeinsame Währung ernten. Gleichzeitig verteidigt Genscher dje strengen Konvergenzkriterien. „Man kann den Euro nicht in Haft nehmen für scheinbar unpopuläre Maßnahmen. Er gibt nur einen Weg vor, den wir ohnehin beschreiten müßten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben”, verteidigt Genscher die von Euro-Skeptiker angeprangerten europaweiten Sparpakete.

Aber auch Kritik war von dem erfahrenen Politiker bei seinem Kurzbesuch in Wien zu hören: „Die Deutsche Mark darf nicht zu einer Art Leitwährung für den Euro hochstilisiert werden. Wir Deutschen dürfen keine neuen psychologischen und politischen Barrieren in Europa aufbauen.”

Auch versteht Genscher nicht, warum man die neue Währung nicht Euro-Mark, Euro-Schilling, Euro-Franc, etc. benannt hat. „Da hätte man die Emotionen der Menschen besser ansprechen können. Gerade die Deutschen und die Österreicher hängen an ihrer Währung Mark und Schilling”, bedauert Genscher die verpaßte Chance, den Euro etwas volksnäher zu gestal-I ten.

Wenn es nach den I Wünschen des erfahrenen Diplomaten geht, würden auch bald möglichst viele Osteuropäer mit Euro bezahlen. Genscher spricht sich dagegen aus, wie bei der NATO-Osterweite-rung nur mit einzelnen auserwählten Staaten (etwa Polen, Tschechien und Ungarn) über eine EU-Mitgliedschaft zu verhandeln. „Ich finde, man sollte bald mit allen beitrittswilligen Staaten Verhandlungen starten, auch wenn nicht alle zügig beendet werden können”, vertritt Genscher das „Startlinienprinzip”. Genscher will damit verhindern, daß hauptsächlich geopolitische Faktoren - also das Angrenzen an die EU - über eine baldige Mitgliedschaft entscheiden.

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