Ist Haderer ein Rushdie?

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Der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn hat am Wochenende mit einem Gastbeitrag in der Presse für Aufsehen gesorgt. In scharfen Worten protestierte er gegen den Karikaturisten Gerhard Haderer und dessen jüngstes Buch "Das Leben des Jesus".

"Ja", schrieb der Kardinal, "ich gehöre zu den vielen Menschen in diesem Land, die sich nicht dran gewöhnen können, dass der Glaube, auf den sie ihr Leben bauen, permanent verhöhnt, lächerlich gemacht wird." Seinen Protest gegen Haderers Werk, das den Heiland als Rauschgiftsüchtigen zeigt, trägt er "im Namen der vielen Kinder und Alten, einfachen Menschen und Akademiker" vor, "die wehrlos darunter leiden - und sich oft genug auch von uns Bischöfen nicht vertreten fühlen".

Besonders interessant ist die Schlusspointe: "Ich schäme mich vor Menschen anderer Kulturen und Religionen", schreibt er: "Welchen Eindruck müssen sie von einer Gesellschaft haben, die schweigend oder gar witzelnd einen solchen Umgang mit dem Stifter jener Religion hinnimmt, die das Antlitz dieses Landes zutiefst geprägt hat?"

Hier wird die Angelegenheit prekär: Es ist nämlich eine Sache, sich zum Stellvertreter von Menschen zu machen, die angeblich oder tatsächlich "wehrlos" einem insgesamt eher unspektakulären Karikaturenbüchlein ausgeliefert sind. Auch wenn unklar ist, ob wirklich alle, in deren Stellvertretung hier gesprochen wird, gern als "wehrlos" charakterisiert werden möchten: Es ist das gute Recht und mitunter wohl auch die Pflicht des religiösen Menschen, gegen den entstellenden Umgang mit den ihm heiligen Inhalten und Symbolen zu protestieren.

Eine andere Sache ist der Hinweis auf die Scham vor "anderen Kulturen und Religionen". Was will der Kardinal uns damit sagen? Dass er Herrn Haderer eine Behandlung angedeihen lassen möchte, wie sie die erwähnten "anderen Kulturen und Religionen" für Menschen vorgesehen haben, die religiöse Inhalte karikieren? Eine kleine Präzisierung könnte hilfreich sein: Man muss ja nicht aus jedem Haderer einen Rushdie machen.

Michael Fleischhacker ist stellvertretender Chefredakteur der "Presse".

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