"Kleine Einheiten sind jeder Gemeinde zumutbar"

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Warum die Gelder für Flüchtlinge nicht ausreichen und wie Österreich die Aufnahme meistern könnte, erklärt Christa Schrauf, Rektorin des Diakoniewerks Gallneukirchen.

DIE FURCHE: Laut der Bürgerinitiative in Gallneukirchen verfügt das Diakoniewerk nicht über die finanziellen Ressourcen, um die Flüchtlinge ausreichend zu betreuen. Braucht es privates Engagement, um diese Lücke zu schließen?

Christa Schrauf: Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln können wir nur die Grundversorgung leisten. Für Freizeitaktivitäten und Behördengänge braucht es freiwilliges und zivilgesellschaftliches Engagement. Bei dem aktuellen Tagsatz von 19 Euro, mit dem alle Kosten gedeckt werden müssen -Wohnkosten, Haushaltskosten und Betreuungskosten - reduziert sich der Spielraum auf wenige grundlegende Dinge: Den Flüchtlingen bleibt ein Verpflegungsgeld von 5,50 Euro täglich.

DIE FURCHE: Eine Bezirksquote zur gleichmäßig verteilten Unterbringung von Asylwerbern soll jetzt etabliert werden.

Schrauf: Ich halte die Bezirksquote für sehr sinnvoll, weil wir so kleinere Wohneinheiten anbieten können. Derzeit sorgen ja 30 Prozent der österreichischen Gemeinden für sämtliche Quartiere. In kleinen Quartieren können sich die Asylwerber selbst verpflegen, besser andocken an die Gemeinde, die Kinder können schneller integriert werden. Auch freiwillige Helfer finden eher Zugang und engagieren sich lieber in kleinen Quartieren. Massenquartiere bieten nach traumatischen Fluchterlebnissen keine adäquate Unterbringung.

DIE FURCHE: Ohne entsprechendes Budget wird die Quartierssuche schwierig und das Leben für die Flüchtlinge trotz Bezirksquote hart bleiben.

Schrauf: Es braucht die Bezirksquote und mehr Gelder. Es ist sinnvoll, dass die Koordination über die Bezirke läuft, die den Überblick über die Gemeinden haben. So kann verhindert werden, dass sich einzelne Bürgermeister gleich querlegen. Kleine Einheiten sind jeder Gemeinde zumutbar. Menschen, die helfen wollen, finden wir in allen Gemeinden, nicht nur in Gallneukirchen.

DIE FURCHE: Die Diakonie fordert eine Erhöhung des Tagsatzes für minderjährige Flüchtlinge von 77 Euro auf fast das Doppelte. Woran mangelt es ihnen?

Schrauf: Sie brauchen sozial-pädagogische Betreuung und wesentlich mehr Bildungsmaßnahmen als Erwachsene. Die notwendige Rund-um-die-Uhr-Betreuung für minderjährige Flüchtlinge macht es so kostenintensiv. Sie sollten dieselbe Grundversorgung wie österreichische Jugendliche erhalten.

Bei traumatischen Erlebnissen braucht es ebenso Geld für Psychotherapie.

DIE FURCHE: Angesichts der Aktion der Linzer SPÖ mit den Anti-Asyl-Straßenschildern: Mit welchem Gefühl blicken Sie dem Landes-Wahlkampf entgegen?

Schrauf: Natürlich bereitet uns das Sorgen. Das Asylthema darf nicht instrumentalisiert werden. In Österreich fehlt ein konstruktiver Diskurs zu sozialpolitischen Themen. Wir sind völkerrechtlich verpflichtet, das Recht auf Asyl zu gewähren und müssen diese Verantwortung wahrnehmen, anstatt darüber zu diskutieren, ob das sein kann oder muss. Ob christlich oder aus humanitären Gründen motiviert: Wir brauchen eine neue Ethik der Verantwortung, Fremde zu beherbergen, aber auch, nach einem positiven Asylbescheid die Integration zu fördern.

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