Marktl - kein Weltmarkttest

Werbung
Werbung
Werbung

Es kam wie erwartet: Der Papst tritt in seiner Heimat bescheiden, herzlich, locker und sympathisch auf. Benedikt lächelt scheu, winkt, und Zehntausende jubeln. Schon als er und die evangelische Kanzlerin auswendig die bayerische Landeshymne mitsangen und das Scherzen zwischen dem Oberschwarzen aus Rom und dem Oberroten aus München kein Ende nehmen wollte, wusste man: Das werden die bayerischen Sozi ewig bereuen, dass sie vor 24 Jahren dem Kardinal Ratzinger die Ehrenbürgerschaft verweigerten, als er von München romwärts zog.

Der Heimatbesuch des Papstes verdient keinen Spott. Er hat vielen Menschen große Freude bereitet, und Freudenspendern gebührt Dank in einer trostbedürftigen Zeit. Aber auch Benedikt XVI. weiß: Das Heimspiel in seiner Geburtsgemeinde Marktl gibt keine Auskunft über den Marktwert seiner Kirche in einer Welt, die aus Millionen Unterschieden und Widersprüchlichkeiten besteht. Was die römisch-katholische Kirche heute am dringendsten braucht, ist sinnvolle Dezentralisierung.

Man kann eine Gemeinschaft von über einer Milliarde Mitgliedern nicht wie eine CSU-durchwirkte Landgemeinde regieren: intransparent, mannsbildisch, autoritär. Regionale Strukturexperimente würden die Kirche stärken, nicht schwächen. Aber solange Bischöfe Reformwünsche mit dem Hinweis auf die "Weltkirche" abschütteln und sich nicht getrauen, als Teil dieser Weltkirche aufzutreten, wird das System weiter erstarren. Die mutigsten Worte in Deutschland kamen von Bundespräsident Köhler, der zu konkreter Christeneinheit mahnte.

Beim Türkei-Besuch im November, bei dem der Papst endlich Neues zur Ökumene und zum Islam sagen muss, wird sich entscheiden, ob das Pontifikat des gescheiten und sympathischen Papstes aus Bayern als kühn oder als zaghaft-ängstlich in Erinnerung bleiben wird.

Der Autor ist freier Publizist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung