Von Neugier über Lust bis Schicksal

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Seit einigen Jahren bildet eine Art Doppelconférence des Schriftstellers Michael Köhlmeier und des Philosophen Konrad Paul Liessmann die der eigentlichen Eröffnung vorgelagerte Eröffnung des Philosophicums: ein literarisch-philosophisches Gespräch, bei dem jeder der beiden das tut, was er am besten kann. Köhlmeier nähert sich dem jeweiligen Jahresthema in seinem unverwechselbaren narrativ-assoziierenden Stil auf der mythologischen Ebene an, Liessmann kontextualisiert das dann geistesgeschichtlich und übersetzt es ins Heute.

Nun gibt es das auch in Buchform. Zwölf Begriffe haben Köhlmeier und Liessmann ausgewählt, die grosso modo auch im Zentrum der einzelnen Philosophica seit 1997 standen: Neugier, Arbeit, Gewalt, Rache, Lust, Geheimnis, Ich, Schönheit, Meisterschaft, Macht, Grenze, Schicksal.

Der Preis der Freiheit

Die titelgebende Frage "Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?" wird eingangs, unter dem Stichwort "Neugier" verhandelt. Es geht um den biblischen Sündenfall, und Liessmann spricht hier von einem Gedanken, "der auch den heiligen Augustinus beunruhigt hatte: dass sich in diesem Willen zum Bösen die eigentliche Menschwerdung ereignet. Denn nur der böse Wille -gespeist aus Hochmut, Hybris und Neugier - ist ausschließlich Sache des Menschen." Der Preis der Freiheit ist der Verlust der Unschuld, der Verlust des Paradieses, in das es keine Rückkehr gibt.

Ein schönes Beispiel für die Vielschichtigkeit der Darstellung ist das Kapitel "Lust", in welchem Köhlmeier seine Version der Legende des heiligen Ägidius († ca. 720) erzählt - eine Vita, welche mit Lust gar nichts zu tun zu haben scheint: Der Einsiedler "ernährte sich von der Erde, die ihm die Würmer übrig ließen, und trank das Wasser, das in Baumstümpfen faulte". Eine Vita, die freilich beginnt, wie die "eines modernen, wohlbehüteten Kindes":"Ohne Schutzhelm, Airbag und Rückenschoner darf sich angeblich ja kein Kind mehr auf eine Schaukel setzen ", spottet Liessmann sanft.

Mehr noch interessiert ihn aber die Faszination des Bekehrungserlebnisses, die er auch in säkularisierter Form -etwa bei der Hinwendung Intellektueller zum Marxismus -ausmacht. Und das unauflösliche Ineinander von Lust und Schmerz, welches auch die Askese nicht einfach nur als Ausdruck christlicher Lust- und Körperfeindlichkeit verstehen lässt.

Alles in allem: eine kultur- und geistesgeschichtliche Tour d'Horizon vom Feinsten.

Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?

Mythologisch-philosophische Verführungen

Von Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liesssmann

Hanser Verlag, 224 S., geb., € 20,60

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