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Vorsicht mit Gästen

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Der Amtsschimmel wiehert, der Fiskus freut sich und die Vernunft verhüllt entsetzt ihr Antlitz.

Hier die schauerliche Mär:

Ein Österreicher hat einen Gast aus dem Ausland.

Zunächst auf die offiziellen drei Monate (ohne „Sondergenehmigung“).

Besagtem Gast gefällt es in Österreich. Es gefällt ihm sogar so gut, daß er über die erwähnten offiziellen drei Monate hinaus in Österreich bleiben

Sollte man glauben, daß dies den Staat freuen, daß er hier keinerlei Hindernisse in den Weg legen sollte.

Sollte.

Besagter in unserem Land lebender (bis dahin ahnungsloser) Gastgeber begibt sich sohin aufs zuständige Polizeikommissiariat und wird dortorts wie folgt über die Voraussetzungen einer Aufenthaltsgenehmigung beziehungsweise deren Verlängerung über die erwähnten drei Monate hinaus belehrt:

Erstens: Ausfüllung eines vierseitigen Fragebogens.

Zweitens: Beibringung von einmal 50, einmal 10 und einmal 5 Schilling österreichischer Bundesstempel. Macht zusammen 65 Schilling, in Worten fünfundsechzig.

Drittens: Unterfertigung einer Verpflichtungserklärung durch den (nicht wenig erstaunten) Gast, derzufolge er sich für den Fall, „daß mir oder meinen mir gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Fürsorgeleistungen erwachsen“ usw... Jedenfalls muß er sich bereit erklären, alles zu zahlen und „zugunsten aller österreichischen Fürsorgeverbände“ eine diesbezügliche Verpflichtungserklärung abzugeben. Mehr noch: er muß sich verpflichten, niemals etwas anderes zu tun, denn .schließlich könnte er doch „im Zutreffensfalle Einrede erheben“, daß er „kein hinreichendes Vermögen oder Einkommen habe oder daß das Verlangen auf Ersatzleistung unbillig sei“. Vater Staat ist vorsichtig, was seine Gäste betrifft.

Sie glauben, lieber Leser, damit sei es nachgerade genug. Ich muß Sie enttäuschen. Es geht noch weiter.

Viertens muß der (schon nicht mehr ganz so) freundliche Gastgeber oder ein zahlungs- und bürgschaftswilliger Freund desselben vorstehender Erklärung „als Bürge und Zahler beitreten“. Zahlungsfähig muß er sein, so daß durch seine Garantie „eine Fürsorgelast Österreichs ausgeschlossen werden soll

Fünftens muß sowohl die Unterschrift des ausländischen Gastes, als auch jene des österreichischen Gastgebers gerichtlich oder notariell beglaubigt und entsprechenden (ganz anderswo gelegenen) Orts geleistet werden.

Kosten: neuerliche vierzig Schilling. Macht zusammen 105 (in Worten: einhundertfünf) Schilling, die der Staat je Aufenthaltsgenehmigungsverlängerung verdient.

Deshalb Vorsicht bei Gästen aus dem Ausland. Am besten, wir helfen ihnen am letzten Tag des dritten Monats ihres Aufenthaltes beim Kofferpacken. Vater Staat will es so — und Mutter Austria verhüllt ihr Antlitz.

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