Der Bergisel ist nahe

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Bei uns in Tirol drehen sich die Gespräche vor allem der jungen Menschen immer noch um die Ereignisse des Samstagabends vor dem zweiten Advent. Wie sollte es anders sein, da unsere Jugendlichen und wir fast alle jemanden kennen, der bei der Massenpanik am Bergisel getötet oder verletzt worden ist?

Die Gespräche haben sich verändert. Am Anfang war das Erzählen von der Hilflosigkeit in der Panik. Sehr viele waren in dem Knäuel, das sich über den Abhang wälzte. Natürlich spürte man, daß da jemand unter einem lag. Aber den oder die herauszuziehen war unmöglich. Und dann die Frage: Mama, kannst du dir vorstellen, daß man da mitschuld ist, daß jemand zu Tode getrampelt wird?

Dann waren die jugendlichen Fachleute am Wort: Die Theorien, wer der eigentlich Schuldige sei, waren Legion. Mit dabei die Wut, der Zorn, der Wunsch, den vermeintlich Schuldigen so zu bestrafen, daß sich nie mehr in der Geschichte der Menschheit bei einer Großveranstaltung eine Massenpanik ereignen könne. Dann die klagenden Fragen: Warum kann man das nicht verhindern? Warum ist das Leben so gefährlich? Antworten wurden nicht erwartet. Eher Trost, Halt.

Jetzt langsam der Versuch zu realisieren, was wohl mit den Verletzten werden wird. Meinst du, daß sie jemals wieder zu uns in die Schule wird gehen können? Und was ist, wenn sie behindert ist? Wie wird sie leben?

Lehrerinnen und Lehrer leisten momentan Unersetzliches. Sie nehmen die Jugendlichen in ihrer totalen Verunsicherung und Angst ernst, schaffen Orte, wo nach außen geschützt gemeinschaftlich geschwiegen, geklagt, geweint, geredet werden kann. Suchen Symbole, die Ruhe und Heilung einleiten, geben Informationen, sind da, halten mit aus. Wir Eltern tun ein übriges.

Doch diese jungen Menschen sind verändert und werden es wohl bleiben, auch wenn bald nach außen hin alles so sein wird, wie gehabt. Der Bergisel ist nahe, das haben wir alle gespürt. Er ist ganz nahe an uns dran und wurde durch einige noch näher herangeholt, mitten ins Zentrum der Stadt Innsbruck. Dort ist bei der Annasäule eine Gedenkstätte entstanden, wo Kerzen und Blumen unsere Trauer verdeutlichen. Am Sonntag, dem vierten Advent, wird dort ein ökumenischer Gottesdienst stattfinden.

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