Der „indische Joseph“ ist tot

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Es war ihm vergönnt, ein „biblisches“ Alter zu erreichen: Am 3. Dezember, dem Gedenktag von Franz Xaver, dem Jesuitenheiligen und Patron von Indien, ist er im 102. Lebensjahr verstorben. In Pune, seiner Stadt im geliebten Indien: Josef Neuner, Jesuit aus Feldkirch, war einer der großen Brückenbauer zwischen dem europäischen Christentum und Indien. Er sah sich als „indischer Joseph“, wie auch der Titel seiner 2005 veröffentlichten Lebenserinnerungen offenbart.

Eine Jahrhundertpersönlichkeit war dieser schmächtige Jesuit nicht nur aufgrund seines Lebensalters. Schon als junger Jesuit hatte er mit seinem Ordensbruder Lothar Roos eine Sammlung kirchlicher Lehrdokumente übersetzt; das daraus entstandene Buch wurde zum theologischen Standardwerk: Der „Neuner-Roos“ gehört seither zu den Standardwerken für jeden Theologiestudenten. Und doch war das Verfassen des theologischen Longsellers bloß eine beinah unbedeutende Stufe auf der Lebensleiter des Josef Neuner.

Weil ein Mitbruder nicht tropentauglich war, sprang Neuner ein, um die Jesuitenhochschule im indischen Pune mitaufzubauen. 1938 reiste er nach Indien ab, das sich als sein geografischen Lebensziel erweisen sollte. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er als Reichsdeutscher interniert – im gleichen Lager wie das Mitglied der gescheiterten Nanga-Parbat-Expedition und spätere Berater des Dalai Lama, Heinrich Harrer. Dort eignete er sich Sanskrit an und begann, die Bhagawadgita und die Upanischaden im Original zu lesen.

Mutter Teresas Beichtvater

Nach dem Krieg studierte Josef Neuner in Rom vergleichende Religionswissenschaft, kehrte wieder nach Pune zurück und wurde zu einem der maßgeblichen Theologen des Subkontinents. Generationen von Theologen und Bischöfen Indiens hat er geprägt.

Beim Zweiten Vatikanum war er ein maßgeblicher Berater, der eine neue und positive Sicht der nichtchristlichen Religionen in die Diskussion einbrachte. Die bahnbrechende Konzilserklärung „Nostra Aetate“ (1965) über die nichtchristlichen Religionen trägt dementsprechend auch seine Handschrift.

Das Bemühen um „Inkulturation“ – die Einpflanzung des Christentums in die indische Kultur und umgekehrt die Befruchtung des Christentums durch die indische Geistes- und Lebenswelt – war das Gebiet, auf dem er unermüdlich wirkte. Dabei blieb Josef Neuner gleichzeitig immer auch Seelsorger. Er war auch der Beichtvater und geistliche Begleiter von Mutter Teresa, nach deren Tod wurde er einer der wesentlichen Experten für ihren Selig- und Heiligsprechungsprozess: Von Josef Neuner weiß die kirchliche Öffentlichkeit um die Glaubenskrise, die Mutter Teresa geplagt hatte.

Immer wieder war Josef Neuner auch in seiner Heimat, etwa um Exerzitien zu halten. Ordensgemeinschaften konnten ihn als geistlichen Begleiter gewinnen. Für die im Voralberger Batschuns beheimatete Schwesterngemeinschaft „Werk der Frohbotschaft“ erstellte er die Neufassung der Ordenssatzungen. In deren Verlag „Die Quelle“ sind 2005 seine Lebenserinnerungen „Der indische Joseph“ erschienen.

2001 ehrte ihn die Theologische Fakultät Innsbruck mit einem Ehrendoktorat, 2005 das Land Vorarlberg mit dem Goldenen Ehrenzeichen.

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