Der Papst stirbt öffentlich

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Man darf davon ausgehen, dass in den Redaktionen der Tageszeitungen fertige Seiten mit dem Nachruf auf Papst Johannes Paul II. aufbewahrt werden. In den TV-Stationen liegen mit Sicherheit digitale Datenträger bereit, auf denen das Leben dieses außergewöhnlichen Mannes dokumentiert ist. Das alles nicht erst, seit der Wiener Erzbischof philosophisch, wie er nun einmal ist, der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt hat, dass auch der Pontifex Maximus zu den Sterblichen gehört.

Das öffentliche Sterben Karol Wojtylas bewegt die Massen und ihre Medien, so wie das öffentliche Leben des kraftvollen Papstes aus Polen die Massen und ihre Medien bewegt hat. Johannes Paul II. hat es wie keiner vor ihm verstanden, den Zug zur Personalisierung, der die Medienwirklichkeit der vergangenen zwei Jahrzehnte prägte, für seine Verkündigungszwecke zu instrumentalisieren.

Es ist ihm zuzutrauen, dass er auch die Rolle des leidenden Gottesknechtes, die er nun schon seit Jahren in der am meisten besuchten Veranstaltung der modernen Unterhaltungsindustrie spielt, als Mittel zum Zweck der globalen Missionierung sieht.

Es ist ein ambivalent angelegtes Stück, in dem der Papst hier auftritt: Einerseits mag man sein öffentliches Leiden als wünschenswerten Kontrapunkt zum Jugend-, Schönheits- und Gesundheitskult schätzen, von dem das päpstliche Leitmedium TV im profanen Alltag geprägt ist. Andererseits drohen die schaurig-schönen Bilder vom alten, kranken, frommen Mann die problematische Seite des Interregnums, das im Vatikan seit Jahren herrscht, vollständig auszublenden.

Was dann noch übrig bliebe, wäre von Sozialpornographie der Marke Vera kaum noch zu unterscheiden.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der "Presse".

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