Der Riss durch Europa

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Bricht Europa entzwei? Geologisch muss man wohl damit rechnen. Ausgerechnet durch das Andrängen Afrikas wird sich zwischen Frankreich und Deutschland ein Riss auftun, der zur Spaltung Europas führen wird. Politisch verlaufen die Spaltungslinien derzeit allerdings anders. Der Scherbenhaufen rund um die Einrichtung der neuen EU-Kommission ausgerechnet zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Europäischen Verfassung durch die Regierungschefs in Rom am vergangenen Wochenende zeigt es deutlich genug. Da konnte auch die für Silvio Berlusconi typische pompöse Inszenierung unter Einsatz von Franco Zefirelli, dem Altmeister der bewegten Heiligenbildchen, nicht helfen. Der Riss verläuft derzeit zwischen der von den Regierungschefs dominierten Kommission und dem Parlament. Im Sinne der Stärkung der demokratischen Strukturen innerhalb der EU kann man wohl nur hoffen, dass das Parlament sich durchsetzt.

"Europa ist ein Kontinent, der seine Konflikte bisher zumeist durch Spaltungen gelöst hast": Mit diesen Worten beschrieb Pavel Filipi in seiner Festrede am Reformationsempfang der evangelischen Kirchen die Situation des Kontinents. Durch die EU (aber nicht nur durch sie) ergibt sich die neue Herausforderung, diesen Weg zu verlassen und statt auf Spaltung auf Integration zu setzen. Aber wer kann das? Die in der ökumenischen Bewegung vereinten Kirchen haben auf diesem Weg schon seit Jahrzehnten Erfahrungen gesammelt, die sie in die jeweiligen Gesellschaften einbringen können. Sie sind - so der Prager Theologe Filipi - zum Zeugnis für die Hoffnung berufen, das aus Selbstkritik, Schuldeinsicht und Demut kommt.

Ist es da hoffnungsvoll, dass das geologische Auseinanderbrechen Europas erst in rund 50 Millionen Jahren zu erwarten ist? Ich meine ja, denn auch Kirchen brauchen Zeit zum Lernen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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