Eine Geschichte mit Herz

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Aus dem geplanten "Buch zum Film" von Selim Özdogan wurde ein eigenständiger Roman.

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Aus dem geplanten "Buch zum Film" von Selim Özdogan wurde ein eigenständiger Roman.

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Am Anfang war der Film. Oder vielmehr das Drehbuch. Oder vielmehr die Idee dazu. Jedenfalls war "Im Juli" aber bereits gedreht und geschnitten, als Selim Özdogan an seinem Roman zu schreiben begann, und eigentlich hätte es ein Buch zum Film werden sollen, aber die Figuren begannen unter Özdogans Feder, Eigenleben zu entwickeln.

Der Autor "ist in ihre Seelen eingedrungen, hat sich überlegt, was sie im ,Off' treiben, was sie denken. Selim hat mir Dinge über meine Figuren erzählt, die ich noch gar nicht wusste, und das ist ein Riesengeschenk", freut sich der Regisseur und Drehbuchautor Fatih Akin, der immer schon einmal mit Selim Özdogan zusammenarbeiten wollte. Die jungen Künstler sind beide keine 30 Jahre alt, türkischer Abstammung, leben in Deutschland und sind offenkundig begabt und sensibilisiert für eigene und fremde Kulturen.

"Im Juli" schlagen sie auch eine Brücke zwischen Hamburg und Istanbul und allem, was dazwischen liegt. Der reichlich spießige Mathematiklehrer Daniel lernt zu Beginn der Sommerferien die lebenslustige und etwas ausgeflippte Schmuckverkäuferin Juli kennen, die genau weiß, was sie vom Leben will: glücklich sein - und das ausgerechnet mit ebendiesem Daniel. Der jedoch trifft kurz darauf die hübsche Türkin Melek und glaubt, in ihr die Frau seines Lebens zu erkennen. Aber leider fliegt sie bereits am nächsten Morgen in die Türkei und Daniel weiß nichts weiter über sie, als dass sie am Freitag um zwölf unter der Bosporusbrücke in Istanbul verabredet ist. Ganz gegen seine Gewohnheit spontan, beschließt er, ihr nachzureisen, aber alle Flüge sind ausgebucht. Bleibt noch das klapprige Auto seines Untermieters, und damit geht's auch kurz entschlossen gen Süden, immer der Sonne nach.

An der ersten Autobahnauffahrt nimmt er eine Tramperin mit, die von Liebeskummer geplagte Juli, die einfach nur irgendwohin will, weg von Hamburg. Gemeinsam machen sie sich also auf den Weg nach Istanbul, den viele Hindernisse säumen. Der Wagen gibt schon in Bayern seinen Geist auf, und in Budapest sind Daniel bereits Pass und Geld abhanden gekommen. Die Reise wird immer abenteuerlicher und allmählich lernt Daniel, was Juli längst kann: für etwas kämpfen, das man haben will. Am Freitag um zwölf treffen sich alle Protagonisten tatsächlich an der Brücke über den Bosporus, die Geschichte nimmt allerdings eine - nicht ganz überraschende - Wendung Eine Liebesgeschichte, eine Komödie, ein modernes Märchen, ein Roman zum Roadmovie, Stimmungsbilder aus Südosteuropa, die sowohl im Film als auch im Buch authentisch wirken. Das alles ist "Im Juli". Witz und Kitsch halten sich die Waage, zwischen den Zeilen und Szenen versteckt sich die eine oder andere Lebensweisheit. "Im Juli" ist eine durchwegs positive Geschichte, die trotzdem nicht nur die sonnigen Seiten des Lebens zeigt, eine ein wenig verrückte Geschichte, die trotzdem nie völlig den Boden der Realität verlässt, eine Geschichte, bei der einem warm ums Herz wird, ohne dass man vergisst, wie sich kalte Füße anfühlen. Mehr also als ein Buch zum Film.

Im Juli Roman von Selim Özdogan Europa Verlag, Hamburg 2000, 188 Seiten, Flexcover, öS 191.-/e 13,88

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