7136984-1997_50_15.jpg
Digital In Arbeit

Erst die Mystik ermöglicht wirklichen Dialog

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist besser, miteinander zu sprechen als gegeneinander Krieg zu führen", schreibt Nikolaus von Kues mit Blick auf den Islam. Der Theologe und Philosoph suchte im Dialog eine Möglichkeit, dem Islam zu begegnen - und das im Spätmittelalter, einer Zeit, in der die Muslime als Feinde galten: eine Einstellung, die bis heute zwischen Muslimen und Christen nicht erloschen ist. Nikolaus Kusanus (1401-64), aber auch der mittelalterliche Mystiker Meister Eckart (1260-1328) und Ramon " Llull (1232-1316), katalanischer Missionar und Philosoph, ja sogar Thomas von Aquin (1224-74) bemühten sich damals um ein Gespräch mit den Andersgläubigen.

Mit diesem Gespräch befaßt sich das Büchlein „Anstöße zu einem Dialog der Religionen", das von der Katholischen Akademie Freiburg herausgegeben wurde: Die heutige Mufti-kulturalität ist nur ein guter Grund, sich den Gedanken der mittelalterlichen Theologen zuzuwenden.

Beim Leser wird zwar eine gewisse Kenntnis mittelalterlicher Philosophie vorausgesetzt, aber auch für Nicht-Philosophen lohnt sich die Mühe der Lektüre: Hier wird aufgezeigt, wie ein Gespräch gelingen - und scheitern kann.

So wird sichtbar, daß der Dialog des Ramon Llull mit luden und Muslimen eigentlich ein Monolog ist. Die Dialogform wählte er als Mittel, um die Wahrheit des Christentums darzulegen. Als Llull wirk lieh Andersgläubigen begegnete, scheiterte das Gespräch. Llull zeigt aber auch, daß erst die Mystik wirklichen Dialog ermöglicht: Auf dieser Erkenntnisstufe entdeckt man das höchste Wesen, in dem alle göttlichen Namen zusammenfallen.

Das bestätigt auch Meister Eckart: Seine „negative Theologie", die das Schweigen als Lob Gottes ansieht, wurzeit im Denken des jüdischen Denkers Moses Maimonides. Im Unterschied zu Thomas von Aquin, der die Gedanken des Maimonides als „Steinbruch" verwendete, um die Wahrheit des Christentums auszuweisen, versuchte Eckart, sichtbar zu machen, daß Bibel und Philosophie, Glaube und Vernunft diesselbe Wahrheit zeigen, daß Maimonides, Christus und Aristoteles dasselbe lehren. Die unterschiedlichen Zugänge von Thomas und Eckart zeigen, wie sehr die Qualität eines Dialogs von der Haltung des Denkens abhängt, in der man sich einem anderen nähert.

Visionär ist die Haltung des Nikolaus von Kues. Er hatte 1453 den Fall Konstantinopels erlebt und schrie, anders als seine Zeitgenossen, nicht nach Rache, sondern rang um den Frieden der Religionen: Auch ihn leitete mystische Gotteserfahrung. Von ihr her sieht Kusanus, daß alle Religionen einen gemeinsamen Kern haben. Wer diesen geschaut hat, kann in der Vielzahl der Riten der Religionen eine Mehrung des Gotteslobes erkennen und muß darin keine Bedrohung der Wahrheit sehen.

Das Büchlein und die in ihm dargestellten Interpretationen der mittelalterlichen Vordenker regen zu einer Reflexion gegenwärtiger Diskussion an: Eckarts, Llulls oder Kusanus' Gedanken sind gewichtiger als vieles, was heute unter „Dialog" gehandelt wird, und auch Thomas von Aquin bringt den Christen zur Besinnung.

ANSTOSSB ZU EINEM DIALOG DER RELIGIONEN. Thomas von Aquin Ramon Llull - Nikolaus von Kues. Hg. von Charles Lohr. Verlag der Katholischen Akademie FreiburgjBreisg. (Tagungsberichle der Kath. Akademie) 1997. 96 S, hrosch, DM14,- (Bestellungen Tel 0049l761ß 1918-0. Fax Kl 11)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung